EIZ Rostock
Der lange Weg der Frauen
Obwohl die Menschheit zur guten Hälfte aus Frauen besteht, herrscht bis zum heutigen Tag noch keine Gleichheit unter den Geschlechtern. Global betrachtet tuen sich zwischen den Regionen und Staaten dieser Welt gewaltige Kluften auf, was die Rechte der Frauen betrifft. Dies geht so weit, dass in einigen fundamental-religiösen Herrschaftssystemen, wie dem Taliban Regime in Afghanistan, den Frauen und Mädchen elementare Menschenrechte, wie das Recht auf Bildung und Selbstbestimmung, vorenthalten werden. Zwangsheiraten, Femizide, Beschneidungsrituale oder Ehrenmorde finden nicht nur in abseitigen Weltgegenden statt, sondern sind Teil einer Realität von frauenspezifischer Gewalt, die auch hierzulande für Schlagzeilen sorgt.
Obwohl die westliche Staatengemeinschaft mitsamt der EU am anderen Ende der Skala steht und die Gleichberechtigung der Frauen hier am weitesten fortgeschritten ist, ist das noch lange nicht das Ende des Weges. Es ist vielmehr ein Prozess, der Jahrzehnte, gar Jahrhunderte andauert, der viel erreicht hat, aber noch keineswegs abgeschlossen ist.
Der lange Weg zu gleichen Rechten
Das Frauen die gleichen Bürgerrechte wie Männer besitzen, ist hier und heute eine Selbstverständlichkeit. Der Blick in die Geschichte offenbart jedoch, dass diese Errungenschaft keineswegs so selbstverständlich und auch bei uns in Europa erst eine relativ junge Erscheinung ist. Auch wenn die ersten Forderungen nach einem Frauenwahlrecht und der Gleichberechtigung im 18. Jahrhundert, während der französischen Revolution laut wurden, dauerte es noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, bis in allen europäischen Staaten das Frauenwahlrecht herrschte.
Erst 1971 führte die Schweiz und sogar erst 1984 Liechtenstein das Frauenwahlrecht flächendeckend ein. Die Bundesrepublik verabschiedete 1977 das Gesetz zur Reform der Ehe und des Familienrechts. Unter anderem beendete diese Reform das Recht des Ehemanns über ein Arbeitsverhältnis seiner Frau zu entscheiden. Erst 1997 gelang es einem interfraktionellen Gruppenantrag von Bundestagsabgeordneten, Vergewaltigungen in der Ehe unter Strafe zu stellen. Bis heute gibt es frauenspezifische Gesetze die beispielsweise Abtreibungen regeln. Hier unterscheiden sich selbst EU-Mitgliedsstaaten stark voneinander, von eher liberalen Gesetzen hin zu sehr restriktiven. Auch wenn die rechtliche Gleichstellung zwischen Mann und Frau eine lange Tradition seit der Gründung der Europäischen Union hat und auf beträchtliche Erfolge verweisen kann, ist das Ziel noch lange nicht erreicht.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Seit 1957 ist ein Grundsatz der Europäischen Union, dass Frauen und Männer für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten. Zahlreiche Gesetze und Rechtsvorschriften wurden dahingehend beschlossen. Ebenso spielte der Europäische Gerichtshof mit seiner Rechtsprechung eine entscheidende Rolle auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Eine Übersicht über die wichtigsten Urteile und Gesetze bietet eine Seite des Europäischen Parlaments. Dennoch gibt es in nahezu allen Ländern der EU den sogenannten Gender Pay Gap. Dieser besagt, dass Frauen nach wie vor weniger verdienen als Männer.
In Deutschland betrug dieser 2020 18 Prozent. Allerdings unbereinigt, das heißt das hierbei auch weitere Faktoren wie die unterschiedliche Berufs- und Branchenverteilung der Geschlechter, der Arbeitsumfang, die Ungleichverteilung in Führungspositionen und weitere Faktoren nicht berücksichtigt sind. Dennoch ist auch der unbereinigte Gender Pay Gap ein guter Indikator hinsichtlich der Gleichstellung der Frauen im Arbeitsbereich. Ein Vergleich der EU Länder ist auf der Seite des Statistischen Bundesamtes dargestellt. Deutschland hat hier den 4. höchsten Wert, dahinter kommen nur noch Österreich, Estland und Lettland. Den geringsten Abstand zwischen den Geschlechterverdiensten hat Luxemburg, Rumänien, Slowenien und Italien mit 1 bis 4 Prozent.
Die Tendenz stimmt zumindest, so verringerte sich der Verdienstunterschied im EU Durchschnitt von 2015 zu 2020 von 16 auf 13 Prozent, doch ist der Weg noch lang, hin zu einer wirklichen Gleichstellung bei Lohn und Verdienstfragen im Arbeitsalltag.
Frauen heute
2023 ist der 8.März, der Internationale Frauentag, erstmals ein gesetzlicher Feiertag in Mecklenburg-Vorpommern. Damit wird der Kampf für die Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter gewürdigt und gleichzeitig darauf verwiesen, dass dieser Kampf keineswegs sein Ende gefunden hat.
Laut Gesetz ist die Geschlechtergerechtigkeit in Deutschland erreicht und Männer und Frauen haben formal die gleichen Rechte. Der Alltag vieler Frauen ist dennoch von vielen geschlechtsspezifischen Eigenheiten geprägt. So berichten 9 von 10 Frauen, bereits mindestens einmal in ihrem Leben von sexueller Belästigung betroffen zu sein. 2020 wurden über 81.000 Anzeigen von Frauen gegen die sexuelle Selbstbestimmung allein in Deutschland gestellt, wobei die Dunkelziffer weit darüber liegen dürfte (Quelle: Statista).
Frauen sind im besonderen Maße Opfer von Gewalt in partnerschaftlichen Beziehungen. Morde an Frauen durch zumeist Partner oder Ex-Partner, Femizide, stellen eine eigene signifikante Größe in der Kriminalstatistik dar. 2021 gab es 113 solcher belegten Morde (Quelle: NDR Kultur Beitrag). Frauen übernehmen nach wie vor die Hauptrolle in der Kindererziehung, Haushaltsführung und bei der Pflege von Angehörigen und sind so oft doppelt- oder mehrfachbelastet. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nach wie vor oft nur unzureichend verwirklicht. Alte Rollenbilder sind nur schwer zu durchbrechen, mangelnde Kinderbetreuung nach wie vor ein Thema. Gerade die Corona Pandemie hat noch einmal aufgezeigt, wo es Defizite gibt. Frauen waren oft als erste von Kurzarbeit oder Entlassungen betroffen, da sie vermehrt in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten.
Die Betreuung der Kinder im Homeschooling übernahmen zuvorderst die Mütter. Gleichzeitig stiegen die Fälle der häuslichen Gewalt. Nach wie vor gibt es eine Unterversorgung mit Frauenhäusern. Anti-emanzipatorische Gesellschaftsentwicklungen, ein Frauenbild was nur auf Äußerlichkeiten reduziert wird durch Formate wie Germanys Top Model, der Einfluss von Social Media, und, und, und…
Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen und es gäbe auch noch vieles über die bisher erreichten Ziele zu berichten. Wichtig ist, dass der Kampf um die Gleichstellung weitergeführt wird. Die erreichten Errungenschaften verteidigt werden müssen. Gerade die Diskussionen und Entwicklungen beim Abtreibungsrecht lassen die Alarmglocken schrillen. Die Würdigung dieses Kampfes durch einen gesetzlichen Feiertag ist mehr als überfällig, wir gratulieren und appellieren an alle Frauen und Förderer zum 8. März: weiter so, nicht stehen bleiben – wir schaffen das!
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