EIZ Rostock
Strategien für die Zeit nach der Europawahl
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron kündigte als Reaktion auf die Ergebnisse der Europawahl am 9. Juni 2024 die Auflösung der französischen Nationalversammlung an. Die französischen Bürger*innen sollen nun am 30. Juni über die parlamentarische Zukunft des Landes entscheiden. Die Spitzenkandidatin der rechtsnationalen Partei „Rassemblement National“ Marine Le Pen zeigte sich bereit, Regierungsmacht auszuüben.
Wir wollen einen Blick hinter die Kulissen werfen und klären, wie eine solche Auflösung des Parlaments zu Stande kommen kann.
Die fünfte Republik
Grundlegend handelt es sich in Frankreich um eine semipräsidentielle Republik. Es gibt die Nationalversammlung als Volksvertretung, gleichzeitig ist Macron als Staatspräsident aber mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Das Parlament bildet zusammen mit dem Senat die Legislative, also die gesetzgebende Instanz. Der Staatspräsident und der Premierminister samt Minister stellen die Exekutive.
Macrons liberale Partei „Renaissance“ verpasste bei den letzten Wahlen 2022 die absolute Mehrheit – eine bedeutende Schwächung für das Regierungslager. Vor allem Le Pens Rechtsnationalisten mit ihren 89 Sitzen im Parlament erschweren Macrons Regierungsarbeit.
Die Bedeutung der Nationalversammlung
Zu den Aufgaben der Nationalversammlung=Volksvertretung gehören im Zusammenspiel mit dem Senat die Gesetzgebung und die Kontrolle der Regierungsarbeit. Allerdings stellt die Nationalversammlung den deutlich stärkeren Part der zwei Kammern dar, weswegen diese auch bei Uneinigkeiten Gesetze verabschieden kann. Die 557 Abgeordneten werden im Regelfall alle fünf Jahre direkt vom französischen Volk gewählt.
Bedingt durch die gesonderte Stellung des Präsidenten hat das Parlament an sich jedoch einen bedeutend geringeren Einfluss als in Deutschland. Macron muss sich im Gegensatz zum Premierminister nicht vor dem Parlament verantworten.
Bis zur Gründung von Macrons Liberalen im Jahr 2016 dominierten das Lager der Linken und die (bürgerlichen) Rechten die Parteienlandschaft.
Präsident – eine Position mit vielen Befugnissen
Der Staatspräsident stellt eine zentrale Figur der Verfassung dar mit Kompetenzen, die keinerlei Bestätigung durch die Regierung benötigen. Neben der Ernennung und Entlassung der Premierminister zählt in Zusammenarbeit mit diesem auch die Ernennung der Regierungsmitglieder zum Aufgabenfeld. Bei Kontroversen zwischen Regierung und Parlament tritt das französische Staatsoberhaupt in einer Vermittlerrolle auf. Dazu kommt die Verkündung von Gesetzen, der Abschluss zwischenstaatlicher Verträge und die Hoheit über außenpolitische Angelegenheiten bzw. das Militär.
Es entfallen zwar auch viele Kompetenzen auf den Posten des Regierungschefs, welcher aber immer abhängig vom Vertrauen des Staatspräsidenten ist. So kann die Linie Macrons die Politik bestimmen, trotz fehlendem Initiativrecht für Gesetze. Die Wahl erfolgt seit 1962 auf direktem Wege durch ein absolutes Mehrheitswahlrecht in zwei Wahlgängen. Wenn beim ersten Wahlgang kein Kandidat eine absolute Mehrheit (also mind. 50% der Stimmen) erringt, erfolgt zwei Wochen später eine Stichwahl. Gewählt ist dann die Person mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
Auflösung der Nationalversammlung - So einfach?
Genau diese Mechanismen und gesonderten Rechte ermöglichen Macron die Auflösung der Nationalversammlung nach der Europawahl. Auslöser war die deutliche Überlegenheit von „Rassemblement National“, die mit 32% fast doppelt so viele Stimmen bekamen wie Macrons „Renaissance“. Als drittstärkste Partei folgten übrigens die Sozialisten. Eine erneute Parlamentswahl gilt als Stimmungstest für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Jahr 2027. Macron kann dort nach Abschluss seiner zweiten Amtszeit nicht erneut antreten, was die Frage nach einem neuen Gegenkandidat Le Pens aufwirft.
Aber was geschieht nach der Wahl Ende Juni?
Die Regierungspartei äußerte Koalitionspläne, kassierte aber eine deutliche Absage seitens der Konservativen. Auch die linken Parteien wollen sich eher geschlossen als Front positionieren. Im Falle eines Wahlsiegs für Le Pens Partei müsste der neue Regierungschef aus deren Reihen stammen. Die Folge: eine sogenannte Kohabitation. Das bedeutet, dass Präsident und Premierminister unterschiedlichen Parteien angehören. Macron wäre dann zwar außenpolitisch immer noch in der Führungsrolle, innenpolitisch blieben aber viele Befugnisse auf der Strecke. Außerdem wäre dann eine EU-kritische, nationalistische Partei mit in der Regierungsverantwortung.
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