Seit dem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 2004 waren die Beziehungen zwischen dem einstigen Vorzeige-Beitrittskandidaten Polen und der damaligen 15 Staaten umfassenden EU nicht mehr so angespannt wie heute.
EU leitet Vertragsverletzungsverfahren ein
Erst im Juli dieses Jahres leitete die EU Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen ein. Vorrangegangen waren zahlreiche verbale Auseinandersetzungen und Androhungen von Sanktionen. Stein des Anstoßes war die Veröffentlichung der umstrittenen Justizreform in einem polnischen Gesetzesblatt. Bis Ende August hat die polnische Regierung nun Zeit auf den Brief aus Brüssel zu reagieren. Schlimmstenfalls kommt es zur Klage vor dem Europäischen Gerichtshof verbunden mit erheblichen Geldstrafen.
Der bekannteste Kniefall
1970 kniete der damalige Bundeskanzler Willy Brandt vor dem Denkmal für die Opfer des Warschauer Ghettoaufstandes von 1943. Das Bild ging um die Welt und sollte eine neue Art der Zusammenarbeit zwischen Westdeutschland und Polen ins Leben rufen. 2017 sind die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen noch immer angespannt. Es geht um Geld, gestohlene Kulturgüter und Besitzansprüche beider Seiten.
Wo wären wir ohne Solidarność?
Doch wo stünde die Europäische Union heute ohne die polnische Solidarność-Bewegung? Bereits 1980 schlossen sich Millionen polnischer Arbeiter zusammen. Heute gelten sie als Wegbereiter für den Umbruch im damaligen Ostblock. Zahlreiche ehemalige Ostblockstaaten, nicht zuletzt Ostdeutschland, sind heute Teil der EU. Einstiger Ausgangspunkt für die Solidaritäts-Bewegung war die damalige Danziger Werft. Und Streikführer war niemand anderes als der späterer Staatspräsident Polens, Lech Wałęsa. Bereits 1983 erhielt er den Friedensnobelpreis für seinen Einsatz. Neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen wurde Wałęsa 2009 Ehrenbürger der Stadt Stettin.
Vorbild für Alle
Die Hafenstädte Stettin (Szczecin) und Rostock verbindet eine langjährige Partnerschaft. Seit 1957 ist diese schriftlich belegt und gilt seither als älteste deutsch-polnische Städtepartnerschaft. Anfang August nun wurde diese langjährige Verbindung mit einer großen Konferenz geehrt. Die Zukunft Europas unter dem besonderen Blickwinkel deutsch-polnischer Partnerschaften stand dabei im Mittelpunkt. Damit steuern Stettin und Rostock vertrauensvoll auf einen gemeinsamen europäischen Kurs zu und haben hoffentlich einen Vorbildcharakter für die deutsch-polnischen Beziehungen.
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