Arved Schönberger
Ratsvorsitz bis Ende Juni 2024
Ab dem 1. Januar 2024 übernimmt Belgien die EU Ratspräsidentschaft von Spanien. Dieser turnusgemäße Wechsel erfolgt alle 6 Monate. Auf Belgien folgt anschließend Ungarn. Die Reihenfolge ist bereits bis 2030 festgelegt. Pro Jahr erhalten so 2 EU-Mitgliedsstaaten den Vorsitz im Rat der Europäischen Union, wie die EU Ratspräsidentschaft auch genannt wird. Da ein halbes Jahr reichlich kurz erscheint, um gewisse politische Akzente zu setzen, ist die Praxis so, dass sich jeweils 3 aufeinander folgende Ratspräsidentschaften auf ein 18 Monats-Programm festlegen, eine so genannte Trio(-rats)präsidentschaft ausüben und sich gegenseitig unterstützen. Belgien bestreitet dabei den Mittelteil dieser Dreierkonstellation, zwischen Spanien und Ungarn. Das zuvor erarbeitete 18 Monats Programm enthält sowohl langfristige strategische Ziele, einen Fahrplan, welche Politikbereiche priorisiert werden, als auch eine Liste mit konkreten Themen, die in der Zeit behandelt werden sollen. Vor Beginn eines 18 Monatszyklus muss so ein Programm vom Rat für Allgemeine Angelegenheiten gebilligt werden und gilt anschließend als roter Leitfaden bei der Ausübung der EU Ratspräsidentschaft. Das heißt unter anderem, dass bei der Erstellung und Themensetzung der Tagesordnungen bei den jeweiligen Tagungen, dieses Programm zu berücksichtigen ist.
Unter folgendem Link findet man das aktuelle 18 Monats Programm: Achtzehnmonatsprogramm des Rates (1. Juli 2023 bis 31. Dezember 2024.
Die Arbeit und Aufgaben als Vorsitz im Rat der Europäischen Union
Als Rat der Europäischen Union bezeichnet man auch den Ministerrat der EU. Es ist kein fester Zusammenschluss wie das Europäische Parlament mit jeweils gleichen Parlamentariern, sondern bezieht sich auf die Fachminister der jeweiligen Mitgliedsstaaten. So gibt es im Grunde für jedes Fachressort einen eigenen Rat, insgesamt 10 Ratskonstellationen. Darunter befinden sich Ratsformationen für Wirtschaft und Finanzen, Umwelt, Bildung, Jugend, Kultur und Sport, Justiz und Inneres und weitere. Bis auf den allgemeinen Rat der Außenminister, wo der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, derzeit Josep Borrell, Vorsitzender ist, führt der Fachminister des Landes mit der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft den Vorsitz. Diese Ministerräte sind wie das EU-Parlament Gesetzgebend und beraten über Gesetzesvorschläge der Europäischen Kommission. Beschlüsse bedürfen spezieller Mehrheiten und in Ausnahmefällen auch Einstimmigkeit.
Aufgabe des Ratsvorsitzenden ist es, diese Räte zu koordinieren. Das heißt: einzuladen, die Tagesordnungen abzustimmen und zu leiten. Zudem gilt es eine Vermittlerrolle einzunehmen und bei Differenzen Kompromisse herbeizuführen, unter den Mitgliedstaaten aber auch zwischen EU-Institutionen. Dies sind vor allem die Kommission und das EU Parlament, der Präsident des Rates, derzeit ebenfalls ein Belgier, Charles Michel und dem Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell. Nach außen hin gilt es, die Gemeinschaft zu repräsentieren und als Ansprechpartner für internationale Organisationen und Drittstaaten zu fungieren. Unterstützung gibt es für den Ratsvorsitz durch das Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union.
Es ergibt sich ein gewisser Einfluss auf die EU, der sich vor allem aus der organisatorischen Sphäre ergibt. Welche Themen werden auf die Tagesordnung gesetzt, welche Prioritäten gelten bei der Vorbereitung, wie laufen die Prozesse im Hintergrund ab, wie agiert man bei Vermittlungen und dergleichen. Zudem steht das EU Mitglied, das den Vorsitz hat mehr als sonst im Fokus der Öffentlichkeit und findet so auch mehr Gehör für die eigenen Anliegen.
In der Regel verlaufen die Ratspräsidentschaft und die regelmäßigen Wechsel recht geräuschlos, spielt sich doch vieles im Hintergrund und auf administrativer Ebene ab. Ein wenig Sorge bereitet jedoch die kommende Ratspräsidentschaft Ungarns, welche ab 1.7.2024 auf Belgien folgt. Seit Jahren gibt es Auseinandersetzungen bezüglich der Rechtsstaatlichkeit Ungarns, samt Sanktionen und der Blockade von Geldflüssen und auch außenpolitisch herrschen große Differenzen. Ob die Befürchtungen, Ungarn könnte die Ratspräsidentschaft zu eigenen Zwecken missbrauchen gerechtfertigt sind, wird sich zeigen. Zumindest ist die Sorge nicht unbegründet und es gibt bereits Stimmen aus dem EU-Parlament, die die Eignung Ungarns in Zweifel ziehen.
Belgiens Ratspräsidentschaft
Zum 13. Mal übernimmt das EU-Gründungsmitglied Belgien am 1.1.2024 die EU-Ratspräsidentschaft. In Belgien sind zahlreiche wichtige EU-Institutionen beheimatet. Die Hauptstadt Brüssel gilt quasi als Hauptstadt der EU und beherbergt neben dem EU-Parlament zahlreiche weitere EU-Institutionen. Der Wohlstand und Lebensstandard der ca. 11,7 Millionen Einwohner ist EU-Weit mit am höchsten. Der Hafen in Antwerpen ist einer der bedeutendsten Handelshäfen Europas. Die Bevölkerung der parlamentarischen Monarchie gliedert sich grob in Flamen und Wallonen, zudem herrscht Mehrsprachigkeit. Neben einem niederländisch- und französisch sprechenden Bevölkerungsanteil, gibt es auch einen kleinen deutschsprachigen. Die föderale Struktur und die rivalisierenden Volksgruppen der Flamen und Wallonen führten in der Vergangenheit schon oft zu Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung, stellten gar die Einheit in Frage.
Für die 6 monatige Ratspräsidentschaft hat sich Belgien folgende Schwerpunkte gesetzt.
- Lebenslanges Lernen
- Lokale Jugendarbeit sowie Eingliederung und Beteiligung aller jungen Menschen
- Vorantreiben und eventuelles Abschließen der Arbeiten am Europäischen Medienfreiheitsgesetz
- Förderung des digitalen Wandels des Kultur- und Kreativsektors
- Hervorhebung des unorganisierten Sports und Verabschiedung eines neuen EU-Arbeitsplans für Sport
- zugängliche Gesundheitsversorgung, Chancengleichheit, Gleichstellung der Geschlechter und LGBTIQ-Rechte
- Sozialschutz (mit Schwerpunkt auf Minderheiten-, Behinderten- und Kinderrechten)
- Umsetzung der Europäischen Agenda für den Tourismus 2030
Eine erschwerende Besonderheit dieser Präsidentschaft sind die anstehenden EU-Parlamentswahlen, die im Frühjahr 2024 stattfinden. Hinzu kommen auch noch die Föderal- und Regionalwahlen in Belgien an sich.
So wird nur wenig Zeit für eine ruhige, konzentrierte Arbeit an der vorgenommenen Agenda bleiben. Zudem gilt es auch weiterhin, die Prioritäten des 18-Monatsplanes weiter zu berücksichtigen.
Genug Erfahrung und Kompetenz hat Belgien für diese Arbeit. Gerade bei den vielfältigen Aufgaben und Krisen dieser Zeit ist das Funktionieren der Institutionen unerlässlich. Die Erfahrung als Konfliktmanager im eigenen Land und mit dem Know How als Gründungsmitglied und Zentrum der Europäischen Union dürfte die Präsidentschaft jedoch in guten Händen sein.
Wir wünschen viel Erfolg und eine gelingende Präsidentschaft!
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