Finn Pohst
Pünktlich zur Jahreshälfte wechselt die EU-Ratspräsidentschaft. Am 01. Juli 2023 löst das Königreich Spanien den schwedischen Vorsitz nach 6 Monaten ab. Damit beginnt die spanische Ratspräsidentschaft eine neue Trioritätspräsidentschaft. Mit 37 Jahren Mitgliedschaft in der EU, seit Spaniens Beitritt 1986, ist dies nun das fünfte Mal, dass Spanien den Vorsitz übernimmt.
Beginn der neuen Trioritätspräsidentschaft
Spanien – Belgien – Ungarn
Eine Ratspräsidentschaft dauert zusammen 1,5 Jahre, mit jeweils 3 Ländern die für 6 Monate den Vorsitz innehaben. Daher kommt der Begriff Trioritätspräsidentschaft. Die Länder stimmen sich aufeinander ab und leiten den Vorsitz auf Grundlage eines gemeinsamen Arbeitsprogramms nacheinander. Dadurch gelingt eine bessere Abstimmung der Prioritäten wodurch Kontinuität geschaffen wird.
Für Spannung sorgt die angesetzte Neuwahl in Spanien am 23. Juli. Infolge der Ergebnisse der spanischen Regionalwahlen am 28.5 hat Ministerpräsident Sánchez das Parlament aufgelöst und die Parlamentswahl im Dezember auf den Juli vorgezogen. Infolgedessen wird während die spanische Ratspräsidentschaft bereits begonnen hat, eine neue Regierung gewählt.
Vier Prioritäten für die spanische Ratspräsidentschaft:
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat 4 Prioritäten vorgestellt:
1. Reindustrialisierung der EU und Sicherung von strategischer Autonomie
Sánchez ruft zu einer Reindustrialisierung und strategischer Autonomie der EU auf. Die EU kann “wenn sie in diesem Jahrzehnt die Dinge richtig anpackt, zu einem Maßstab für die Produktion von erneuerbaren Energien, Elektrolyseuren, digitalen Plattformen, fortschrittlicher Robotik, Biodünger und pharmazeutischen Spitzenprodukten werden”.
Dies möchte die spanische Ratspräsidentschaft mit 2 Strategien erreichen: Zum einen die Förderung der Entwicklung von strategischen Industrien und Technologien in Europa. Dafür wird die Integration des Binnenmarktes, die Innovation und die Industriepolitik vorangetrieben.
Zum anderen soll dies durch eine Stärkung der Handelsbeziehungen und weiterer Diversifizierung geschehen. Dabei soll es ebenfalls zu einer besseren Absicherung der Lieferketten kommen. Besondere Bedeutung wird hierbei dem Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) beigemessen. Das Treffen findet Mitte Juli in Brüssel statt.
2. Fortschritt bei grüner Transition und Umweltanpassung
Die spanische Ratspräsidentschaft sieht die Bekämpfung des Klimawandels und die Klimaanpassung nicht nur als rechtliche oder moralische Verpflichtung, sondern als eine große Chance. Wenn wir das richtig anpacken, wird uns der grüne Wandel vieles ermöglichen.
Die Vision von Sánchez ist, dass wir die Abhängigkeit von Energie und Rohstoffen drastisch verringern können, unsere Stromrechnungen senken, unsere Unternehmen wettbewerbsfähiger machen und allein in diesem Jahrzehnt fast eine Million Arbeitsplätze schaffen. Zur Erreichung dieser Vision weißt Sánchez auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und eine Beschleunigung der Fit for 55 Ziele hin.
3. Förderung von mehr sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit
Europa soll zu einem politischen Projekt mit größerer sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit werden. Dazu möchte die spanische Ratspräsidentschaft allen Formen der Steuervermeidung und Steuerhinterziehung durch die Superreichen und die großen globalen Konzerne ein für alle Mal ein Ende zu setzen.
Als konkrete Maßnahme hierfür möchte Sánchez Mindeststandards für die Unternehmensbesteuerung in allen EU-Mitgliedsstaaten festlegen, insbesondere im digitalen Bereich. Gleichzeitig erfolgt die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und die Verwendung von Briefkastenfirmen. Teil des Packets ist auch eine Reform der Steuervorschriften für die Mitglieder.
4. Stärkung der europäischen Einheit
Die vierte Priorität ist die Stärkung der Einheit Europas. Die spanische Ratspräsidentschaft setzt sich für diesen Zweck für mehrere Dinge ein: Eine stärkere Vertiefung des Binnenmarktes, die Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion, die Konsolidierung und Verbesserung gemeinsamer Instrumente wie der NextGenerationEU-Fonds, eine effizientere und koordinierte Steuerung von Migrations- und Asylprozessen sowie eine koordinierte Unterstützung der Ukraine und anderer Nachbarstaaten.
Die Entwicklung unserer gemeinsamen Identität und Werte und das Einleiten einer neuen Phase der Entwicklung des europäischen Projekts ist elementar für die spanische Ratspräsidentschaft.
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