Seit dem 1. Januar 2018 hat der Balkanstaat Bulgarien, mit seinen über 7 Millionen Einwohnern, die Ratspräsidentschaft innerhalb der EU inne und führt damit die Mitgliedsstaaten durch die erste Hälfte des neuen Jahres, bevor Österreich die wichtige Aufgabe übernehmen wird. Nachdem das EIZ Rostock bereits über die Ratspräsidentschaft an sich und das Logo des Bulgarischen Vorsitzes berichtet hat, soll sich dieser Artikel mehr mit dem eigentlichen Inhalt dieser Position beschäftigen.
Bulgarien gibt nun den Ton an und tut dies, trotz anhaltender Korruption im Land sehr selbstbewusst. Bojko Borissow, Premierminister der Parlamentarischen Republik und ehemaliger Karate-Trainer, sieht die kommenden sechs Monate als große Chance für das ärmste Land der Europäischen Union.
Die Schwerpunkte
Bulgarien zeigt sich in den letzten Wochen überraschend Europafreundlich und möchte nach den herzlichen Worten nun Taten folgen lassen. Folgende Punkte möchte das Land während der nächsten 6 Monate in Angriff nehmen:
- Digitale Wirtschaft – Ausbau des digitalen EU-Einheitsmarktes, der Urheberrechte und der digitalen Wirtschaft. Dadurch soll mehr Cybersicherheit und besserer Datenschutz gewährleistet werden.
- Stabilität und Sicherheit – Einen Weg finden, um besser gegen Korruption und Extremismus vorgehen zu können und die Schaffung einer gemeinsamen Lösung zur Sicherung der EU-Außengrenzen, eine sinnvollere Steuerung der Migration und die Schrittweise Einführung von Pesco.
- Wirtschaftliche und soziale Annäherung – Eine klare und Einigkeit symbolisierende Linie für die gemeinsame Landwirtschaftspolitik, sowie die Wirtschafts- und Währungsunion.
- Integration der Westbalkanländer – Die EU-Beitrittsbemühungen und Reformen in den osteuropäischen Staaten auf die Agenda setzen. Eine gemeinsame Lösung finden, um schwächere Länder innerhalb der Union zu stärken und den Ausbau von Straßennetzen, dem Bildungswesen, der Luftfahrt und der Wirtschaft zu gewährleisten.
Anhand der Schwerpunkte wird eines ganz deutlich: Bulgarien setzt nicht auf einen Alleingang, sondern möchte sämtliche Mitgliedsstaaten einbeziehen. Damit handelt das Land getreu seinem Motto: Съединението прави силата (In der Einigkeit liegt die Stärke).
Unterschiedliche Interessen
Osteuropäische Länder verfolgen häufig andere Interessen als der Rest der EU. So ist in Bulgarien, ähnlich wie in Polen und Ungarn, praktisch keine Integrationspolitik für Flüchtlinge vorhanden. Ein unabhängiges Komitee zur Überwachung der Menschenrechte, das Bulgarian Helsinki Committee, bestätigt sogar schwere Misshandlungen an den Grenzen. Polizisten, die eigentlich Menschen und Ordnung schützen sollten, hätten flüchtenden Familien all ihre Wertgegenstände und ihre Kleidung abgenommen. Auch die schweren Grundrechtsverletzungen in Polen nimmt Bulgarien, im Gegensatz zu den restlichen Europäischen Staaten, eher auf die leichte Schulter und sieht keinen Redebedarf.
Bulgariens Sprung zum Euro
Obwohl Bulgarien ein Wachstum von 3,9 Prozent und einen Schuldenstand von gerade mal 26 Prozent verzeichnen kann, wird der Sprung zum Euro noch eine Weile auf sich warten lassen. Positive Wirtschaftsdaten sind eben nicht alles. So bleibt zu hoffen, dass Bulgarien während der Ratspräsidentschaft sein volles Potenzial zeigt, die Kritiker Lügen straft und Willens ist, Menschenrechte nicht nur für die eigenen Bürger zu sichern. Bis zum Ende des Vorsitzes behalten wir uns daher ein Fazit vor.
Quellenangaben: bghelsinki.org, eu2018bg.bg, spiegel.de