Ende August beschloss der Deutsche Bundestag das von der Union und SPD eingebrachte Konzept zur Wahlrechtsreform. Das Ergebnis von 362 Ja-Stimmen bei 281 Nein-Stimmen und 8 Enthaltungen war bemerkenswert und zeigt die Brisanz des Themas auf. Inhaltlich sieht die Reform folgendes vor: Zunächst sollen Überhangsmandate einer Partei mit den jeweiligen Landeslisten verrechnet werden. Die tatsächliche Anzahl der Sitze ist von nun an der höhere Wert aus den Listenmandaten oder dem Mittelwert aus Listen- und den Direktmandaten. In jedem Fall erhält eine Partei die Sitze gemäß der Wahlliste der Länder. Außerdem sollen erst ab drei Überhangsmandaten Ausgleichsmandate fällig werden. Somit ist die Anzahl der erhaltenen Direktmandate immer noch auschlaggebend. Eine Reduzierung der 299 Wahlkreise ist zunächst nicht vorgesehen.
Eine Beurteilung durch Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages geht auf verschiedene, von der Opposition gestellte Fragen ein. Auf die Frage nach der tatsächlichen Absenkung der Abgeordnetenzahlen basierend auf den Wahlergebnissen von 2017 gibt die Beurteilung eine Zahl zwischen 697 und 682 Abgeordneten an.
Ursachen und Hintergrund der Wahlrechtsreform
Die Notwenigkeit einer Reform des Wahlrechts für die Bundestagswahl ist bereits seit längerem Diskussionsgegenstand. Hintergrund ist Regelung der sogenannten Überhangs- und Ausgleichsmandate. Erzielt eine Partei bei der Wahl mehr Direktmandate aus den Wahlkreisen, als ihr aus der Zweistimmenwahl zustehen, gleicht man diese für die anderen Parteien aus. Andernfalls wäre das relative Ergebnis der Zweistimmen ja nicht mehr gewahrt. Daher bekommen die anderen Parteien sogenannte Ausgleichsmandate, die das Verhältnis aus dem Wahlergebnis wiederherstellen. Infolgedessen stieg die tatsächliche Zahl der Bundestagsabgeordneten von normalerweise bei 598 Sitzen auf 709 Abgeordnete an.
Entwicklung in den letzten Jahren
Das Thema ist keinesfalls neu: Seit Jahren ist das Problem eines wachsenden und damit immer teureren Bundestages bekannt. Schon 2008 erklärte das Bundesverfassungsgericht die damalige Praxis für verfassungswidrig. Ebenso die Neuregelung durch die Union 2011. Seitdem gab es immer wieder Ansätze zur Reform, doch gab es anscheinend dringlichere Fragen zu klären.
Die Oppositionsparteien Die Linke, die Grünen und die FDP haben bereits im Juli dieses Jahres einen eigenen Vorschlag zur Abstimmung gebracht: Hierin sollten die Wahlkreise reduziert, die Anzahl der Sitze auf 630 erhöht und die Regelung der Mindestsitze abgeschafft werden. Doch die Sachverständigen-Kommissen vertagte seine Beratungen zu dem Beschluss mehrfach. Daraufhin gab es eine Debatte am 03.07.2020, bei der die verschiedenen Fraktionen teils eigene Vorschläge einbrachten, teils die vorgestellten Ansätze diskutierten. Die Opposition übte harsche Kritik an der großen Koalition, die eine Reform immer wieder vor sich hergeschoben habe.
Reaktionen und weitere Entwicklungen
Laut der CDU-Vorsitzenden Karrenbauer sei die Chance, dass der nächste Bundestag auf jeden Fall nicht größer wird als der jetzige, relativ groß. Dagegen kritisiert die Opposition den Beschluss der GroKo. Es würde kaum eine Absenkung der Abgeordnetenzahl erzielt werden. Von einem untauglichen und undemokratischen Beschluss ist hier die Rede. Dementsprechend planen die Oppositionsparteien, eine Klage vor dem Bundesverfassungsgesetz zu prüfen. Besonders die fehlenden Ausgleichsmandate und das eigenmächtige Handeln der Regierungskoalition ohne Einbeziehung der Opposition können Grund zur Beanstandung sein.
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