mitDas EIZ Rostock möchte die Diskussionen zur Gleichstellung der Geschlechter nutzen, um in einer regelmäßig erscheinenden Reihe europäische Frauen vorzustellen. Wir wählen Frauen aus, die sich schon damals nicht dem vorherrschenden Rollenbild anpassen wollten und ihre männlichen Kollegen überflügelten. Persönlichkeiten wie Maria Reiche waren nicht nur starke Frauen. Sie sind auch Vorbilder, die uns zeigen, dass Verstand und Mut weder Alter noch Geschlecht kennen.
Von Fernweh getrieben
Wir starten unsere Reihe starker Frauen mit der deutschen Mathematikerin und Privatgelehrten Maria Reiche. Sie setzte sich unermüdlich für die Erforschung und den Erhalt der Nazca-Linien ein. Dieses rätselhafte Relikt überdauerte in der peruanischen Wüste im Schatten der Anden 2500 Jahre.
Geboren wurde Maria am 15. Mai 1903 in Dresden, während dort noch der über 70-jährige König Georg von Sachsen regierte. Als das älteste von drei Kindern musste das Mädchen schnell lernen, sich zu behaupten. Sie entwickelte dabei eine unglaubliche Hartnäckigkeit, die ihr noch Weltruhm einbringen sollte. Nach dem Besuch einer städtischen Studienanstalt für Frauen entschied sich Maria Reiche für das Studium der Mathematik, Physik und Geographie, das sie 1928 mit dem Staatsexamen beendete.
Bereits damals zog sie ihr Wissensdrang und ihre Neugier in die Ferne. Fort in die unendlich erscheinenden Weiten unserer Erde und hin zu den noch unentdeckten Schätzen fremder Kulturen. Über mehrere Umwege wurde sie 1932 Hauslehrerin beim damaligen deutschen Konsul in Cusco, Peru und kehrte ihrer Heimat den Rücken.
Ihre wahre Berufung schien allerdings eine andere zu sein und das spürte Maria schnell. Noch vor dem Ablauf ihres Arbeitsvertrages packte sie erneut die Koffer und zog nach Lima, wo sie sich durch Sprachunterricht, Übersetzungen und andere Arbeiten über Wasser hielt. Im Jahre 1937 bot man der Gringa aus Deutschland eine Stelle im Nationalmuseum von Lima an, wo sie half, historische Stoffe zu restaurieren.
Maria Reiche war eine Ausnahmewissenschaftlerin
Von den Nazca-Linien hörte Maria Reiche 1939 erstmalig von einem Amerikaner. Diese wurden fünfzehn Jahren zuvor entdeckt. Sie beschloss infolgedessen, diese faszinierenden Bodenzeichnungen zu erforschen. Bis in die 1960er-Jahre hatte sie ein Gebiet von rund 150 Quadratkilometern allein und ohne Unterstützung zu Fuß vermessen. Mit Maßband, Sextant und Kompass kartografierte sie die teils bis zu 20 km langen Linien, nachdem sie diese von Staub und Dreck befreit hatte. Die auf den ersten Blick wirr und ohne Zusammenhang in den Boden gekratzten Linien ergeben jedoch aus der Luft gesehen gigantische Bildnisse exotischer Säugetiere, Insekten, Menschen und Vögeln.
Um sich ein besseres Bild von den Nazca-Linien zu machen und um die Welt von ihrem Wert zu überzeugen, ließ sich die damals 52 Jahre alte Maria Reiche an die Kufen eines Helikopters binden. Somit gelangen ihr die einmaligen und heute weltberühmten Luftaufnahmen der Wüstenfiguren. Wegen ihres unermüdlichen Einsatzes haben wir es ihr zu verdanken, dass die Nazca-Linien seit 1994 zur Liste des UNESCO-Welterbes gehören. Die tägliche Besichtigung und weitere Erforschung ließ sich Maria selbst dann nicht nehmen, als sie durch Alter und Krankheit an den Rollstuhl gefesselt war. Sie starb 1998 im alter von 95 Jahren in Lima und erhielt ein Begräbnis mit mit allen Ehren des Staates.
Heute ist die Holzhütte, in der Maria Reiche über 25 Jahre ohne Strom und fließendes Wasser gelebt und gearbeitet hat, wegen ihr ein Museum. Diese erstaunliche Frau ist heute jedem Peruaner ein Begriff, während sie in ihrer alten Heimat immer mehr in Vergessenheit gerät. Grund genug, sie unsere Liste der starken Frauen anführen zu lassen.
Nazca-Linien
Als Nazca-Linien werden über 1500 Scharrbilder in der Wüste Perus bezeichnet. Die Figuren von mehreren hundert Metern Größe ergeben aus der Luft betrachtet Tiere und Menschen. Warum die Ureinwohner Perus diese mühselige Arbeit auf sich nahmen, bleibt ein Geheimnis.
Quellenangaben: maria-reiche.de,