EIZ Rostock
von Arved Schönberger
Beitrag anhören 22:49 Min
Der Begriff „Zeitenwende“ steht seit der Bundestagsrede von Olaf Scholz zu Beginn der 2. russischen Ukraineinvasion exemplarisch für die Jetztzeit in der wir uns befinden, in der sich alte Gewissheiten in scheinbares Nichts aufzulösen drohen und die Weltlage einem fundamentalen Wandel unterliegt. Was damals zutraf und seinen Anfang nahm, erreichte seinen bisherigen Höhepunkt mit dem Amtsantritt Donald Trumps am 20. Januar 2025. Scholz‘ Zeitenwende bezog sich lediglich auf ein neues Bekenntnis zum Militarismus und die Konfrontation mit einer diktatorischen Weltmacht Russland. Die Zeitenwende, die wir seit November 2024 erleben, ist eine viel fundamentalere. Es geht nicht mehr um rein militärische Fragen, es ist im Grunde nichts weniger als der Zusammenbruch der Weltordnung, wie wir sie bisher kannten. Der Wind hat gedreht und dreht auf…
Doch was heißt das? Wie kann man das alles einordnen und welche Zusammenhänge gibt es? Ein Versuch, etwas Klarheit in die neueste Zeitenwendedynamik zu bringen…
Geschichtsdaten
Für die Historiker werden diese Zeitenwende-Zeiten ergiebiges Futter bereiten – doch auch ohne Abstand stechen ein paar Daten der vergangenen Monate hervor.
- November 2024
- Dezember 2024
- Januar 2025
- Februar 2025
Was hat es mit diesen Daten auf sich und in welchem Zusammenhang stehen sie? An ihnen ist jeweils etwas kulminiert, etwas, das sich bereits lange schon anbahnt, denn alles hat seine Vorgeschichte.
Da wäre der 5. November 2024. Mit eindeutiger Mehrheit wurde Donald Trump von den US-Amerikanischen Bürgern erneut ins Präsidentenamt gewählt. Hier zeigt sich der Bruch am deutlichsten, der Riss in der dünnen Decke der Zivilisation – der imstande ist, das ganze Gebäude zum Einsturz zu bringen.
Es ist der Sieg der Antidemokraten über die Demokraten. Kennzeichen dieser Zeitenwende -Zeiten ist, dass dies überhaupt erst möglich ist. Bei Donald Trump handelt es sich ja nicht um den Wolf im Schafspelz, der sich dann als böse Überraschung entpuppt. Trump und Seinesgleichen haben mit offenen Karten gespielt. Die Deformation der demokratischen amerikanischen Gesellschaft hat ein Maß erreicht, in der so etwas möglich ist – und auch passiert. Vernachlässigung des Bildungssystems, mangelnde soziale Sicherheit, wachsende Armut, oligarchische Strukturen, eine desolate Medienwelt – Phänomene und Zustände, die nicht nur in den USA um sich greifen. Der jahrzehntelange Gesellschaftsumbau unter dem Stichwort Neoliberalismus, der in all seinen Ausprägungen als maßgebliche und bestimmende Ideologie prägend war und ist, hat diese Entwicklung global mit begünstigt.
Die Wahl Donald Trumps, weist auf eine Welt hin, die im absoluten Ungleichgewicht ist.
11. Dezember 2024 – Deutschland ist im Ungleichgewicht.

Der deutsche Kanzler stellt die Vertrauensfrage, ein Vorgang, der bisher erst fünf Mal in der Geschichte der Bundesrepublik vorkam. Damit endete die Regierung zwischen SPD, Grünen und der FDP vorzeitig. Es geht hierbei um die Art und Weise, wie dies geschah. Es sind die Enthüllungen aus FDP-Kreisen, die hier ebenso exemplarisch für diese Zeiten stehen. Ein intriganter Plan zur mutwilligen Zerstörung der Koalition unter dem Namen „D-Day“, die Abkehr von demokratischen Gepflogenheiten, Skrupellosigkeit, Geschichtsvergessenheit, Egomanie und menschlich, politische Abgründe – in denen schon mal eine Kettensäge zum Symbol wird – sind Assoziationen zur Causa Lindner und seiner FDP.
Es war das Unvermögen der Ampelregierung, auch in schwierigen Zeiten vernünftig zu kooperieren. Stattdessen überwogen am Ende Parteiinteressen, gegenüber dem Willen zu regieren und zu gestalten. Die Koalition gab ein Bild von zerstrittenen Partnern ab, die sich gegenseitig lähmen, statt an einem Strang zu ziehen. Es ist der als „Fortschrittskoalition“ angetretenen Regierung nicht gelungen, auf die Probleme unserer Zeit adäquat zu antworten, in vielen Punkten wurden Wähler enttäuscht, wenn nicht gar vor den Kopf gestoßen. Selbst Bereiche, in denen es tatsächlich Fortschritt gab, wie in der Drogenpolitik, vermochte die Ampel nicht für sich zu nutzen. Auch die Medien, und hier besonders die neuen sozialen Medien, befeuerten ein Negativbild und trugen zur Wahrnehmung der Rot-Grün-Gelben Koalition als wenig talentierte Truppe bei. Als Folge schürt das den Unmut in der Bevölkerung, schwächt das Vertrauen ins System. Ist dies gepaart mit Politik, die wenig erkennen lässt, den Fehlentwicklungen unserer Zeit entgegenzuwirken, setzt sie eher auf verwalten als auf gestalten, richtet sich die Politik gar gegen die Interessen gewisser Bevölkerungsgruppen – ist dies kein Werben für die Demokratie und die Politik im allgemeinen. Die Regierung unter Kanzler Scholz hat es in ihrer Regierungszeit nicht geschafft, den gesellschaftlichen Konflikt zu entschärfen oder gar zu mildern. Innerhalb von nur drei Jahren gelang es der systemfeindlichen AfD, ihr Wahlergebnis 2025 zu verdoppeln, gar zur zweitstärksten Fraktion im Bundestag anzuwachsen und quasi sämtliche Direktmandate im Osten der Republik abzuräumen. Das Vertrauen in eine offene, pluralistische demokratische Gesellschaft ist weiter gesunken, der Ton und die Debattenkultur rauer – die Stimmung auf der Straße aggressiver. Die Koalition ließ den Willen und das Können fehlen, dem entgegenzuwirken. Das Agieren der Koalitionäre untereinander, die angebotenen Problemlösungsvorschläge und das Unvermögen an einem Strang zu ziehen, haben mit zur derzeitigen Situation beigetragen, in der die AfD droht, stärkste Kraft zu werden. Der Diskurs hat sich dermaßen nach rechts verschoben, dass die politische Mitte teilweise rechtsaußen – Positionen übernommen hat, ohne, dass dies noch groß auffällt. Die Demokratie hat Schlagseite bekommen – auch weil die Demokraten kein gutes Bild abgaben/abgeben.
Das Scheitern, der Umgang, der fehlende Mut, Entscheidungen entgegen der eigenen Wählerklientel und vieles mehr, was letztendlich zur Vertrauensfrage im Bundestag führte, stehen in gewisser Weise sinnbildlich für diese Zeitenwende-Zeit.
29. Januar 2025 - der Tabubruch
Die Brisanz und Bedeutung dieses Tages kann gar nicht hoch genug gehängt werden. In Deutschland, dem Land – in dem der Faschismus auf die menschenerdenklichste grausamste Art und Weise praktiziert wurde – in dem Menschen im industriellen Maßstab millionenfach ermordet wurden, kommt es erstmals – im 80. Jahr der Befreiung von diesem Faschismus – zu einer Stimmgemeinschaft und Mehrheitsbeschaffung im Bundestag mit Hilfe einer zum Teil offen faschistischen Partei, der AfD.
80 Jahre lang war „Nie wieder!“ Konsens, auf den sich alle demokratischen Parteien beriefen. Am 29. Januar beschloss die CDU unter Friedrich Merz, diesen Konsens zu brechen. Mit diesem Schritt wurde eine Tür geöffnet. Was heißt es aber, dem Faschismus wieder Tür und Tor zu öffnen? Wie viel Faschismus verträgt Deutschland? Wem bei solch einer Frage jetzt speiübel wird – erkennt die Dimension des Ganzen.
Vorzugeben, diese nicht zu kennen, wie es Merz und Co. taten – die Handlung naiv zu bagatellisieren, zeigt entweder ein mangelndes historisches/politisches Verständnis, was im Grunde dann für hohe politische Ämter disqualifiziert, oder es war dieser kalkulierte Tabubruch mit dem Wissen um seine Bedeutung. Von diesem Tag an, kann in Deutschland niemand mehr sicher sein, dass die konservative rechte CDU/CSU nicht doch den Pakt mit den Postfaschisten der AfD eingeht. Merz hat am 29.Januar 2025 bewiesen, dass die Konservativen kein Bollwerk gegen Rechtsextremismus bilden. Auf die demokratische Mitte ist seit dem 29.1.2025 kein Verlass mehr. Ein Riss hat sich im Fundament unseres demokratischen Gesellschaftsverständnisses aufgetan – ein Riss, der das ganze Gebäude zum Einsturz bringen kann.
Menschen also, die mit Vorschlaghämmern aufs Fundament der Demokratie schlagen, bilden demnächst die Regierung. Auch dies passt als Teil ins Gesamtbild unserer Zeit.
Einen endgültigen Riss im bisherigen Verständnis unserer Welt, der so genannten Nachkriegsordnung, verursachte jedoch der neue US-amerikanische Vizepräsident J.D. Vance am
14. Februar 2025
mit seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Hier trat in voller Wucht zutage, was die Wahlentscheidung am 5.November 2024 in den USA für Europa, für die Welt bedeutet.
Der Auftritt J.D. Vance unterschied sich fundamental von dem, was seit Jahrzehnten zur diplomatischen Etikette gehört, formal wie inhaltlich. Hier trat kein Akteur unter Verbündeten auf. Fernab eines konstruktiven Beitrags zu den sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit, dem eigentlichen Ansinnen der Münchner Sicherheitskonferenz, hielt Vance eine Rede, die wie aus einem Paralleluniversum zu entstammen schien. Einer Welt, in der Worte eine andere Bedeutung haben, ein anderes Wertesystem existiert – eine Kommunikation im traditionellen Sinn kaum mehr möglich ist. Es war ein direkter Angriff auf das Grundwertesystem der Europäischen Union – der freiheitlich, demokratischen Welt an sich. Seine Worte „There is a new Sheriff in Town“ lassen erschaudern.
Nicht einmal einen Monat nach der Amtsübernahme Donald Trumps ist spätestens mit der Rede J.D. Vance klar, dass die USA nicht mehr das gemeinsame Haus bewohnen, schlimmer noch – die USA sind ausgezogen und drohen unverhohlen mit der Abrissbirne. Die letzten Wochen seitdem haben gezeigt, dass sie nicht nur damit drohen, sondern sie auch aktiv einsetzen – die Erschütterungen spürt die gesamte Welt. Die Abrissbirne (Wahlweise auch Kettensäge) steht auch sinnbildlich für die betriebene Innenpolitik. Im Zeitraffer demontiert sich ein Staat. Spätestens am 14.Februar 2025 in München fiel der Schleier, den viele Vertreter vielleicht noch vor Augen hatten. Hoffnungen, die zweite Trump Zeit wird ähnlich aushaltbar wie die erste es gerade so noch war, verpufften. Doch 2025 unterscheidet sich wesentlich von 2016/17. Nicht nur die Krisen haben zugenommen und sich zugespitzt – in dieser Zeit fand auch eine Radikalisierung statt. Das ultrarechte Trump-Lager hat die Zeit intensiv genutzt, um sich weiter zu konsolidieren, zu wachsen, sich zu radikalisieren und vorzubereiten. Die demokratischen Kräfte und damit auch das demokratische System waren am Ende nicht in der Lage, dem Streben nach Macht der extremen antidemokratischen Rechten standzuhalten. Mit der Machtübernahme des Trump Regimes ist eine neue Zeit eingetreten. Wenn man von „Zeitenwende“ sprechen kann, dann spätestens seit dem 14.Februar 2025.
Die Bedeutung des Ganzen ist kaum vorstellbar, zu gewaltig erscheint die Dimension. Mit den USA stirbt auch ein Traum. Der Traum, der uns nach 1945 von einer besseren Welt hat träumen lassen, von Menschenrechten, Solidarität, Gerechtigkeit und Recht, Frieden und Wohlstand. Die Leitnation der Welt, selbsternannter Sheriff, soviel man die Politik der USA auch kritisieren konnte, sie hielt nach außen hin diese Werte für ihre. Demokratie und Freiheit waren das Leitbild, wofür die USA standen – deren Werte gut und erstrebenswert waren.
Die vergangenen Wochen seit der Amtsübernahme Donald Trumps, haben gezeigt, dass der Umbau in einen autokratisch-tyrannischen Staat in einem atemberaubenden Tempo vollzogen wird. Die Weltgemeinschaft leidet bereits jetzt. Die regelbasierte Weltordnung erodiert zunehmend durch eine Trump-USA. Ganz real ist das Leben von Millionen Menschen akut bedroht, bspw. durch den Wegfall von US-Unterstützung durch USAID. Ob Aidsmedikamente oder Lebensmittelnothilfen, die abrupte Zerschlagung der US-Entwicklungshilfe bedroht jahrzehntelang gewachsene Strukturen und droht, ganze Regionen in den Abgrund zu stürzen.

Das transatlantische Bündnis, welches die Welt und vor allem die westlichen Beziehungen seit dem Ende des 2. Weltkrieges prägte, ist dabei sich aufzukündigen. Anstatt freiheitlich, demokratische Werte als Leitbild, dominieren von nun an autoritär-autokratische und schlimmere die USA. Zieht man die Trennlinie Diktatur – Demokratie, so droht aus Freund, ein Feind zu werden. Das bedeutet im Grunde den Ausschluss aus der westlichen Wertegemeinschaft.
Wenn eine der mächtigsten Nationen dieser Welt nicht mehr als Unterstützer der Demokratie gilt, sondern ihre Demontage fördert, stellt dies die freie Welt vor eine ernsthafte Bedrohung. Einen Vorgeschmack konnten die Deutschen erleben, als sich US Regierungsvertreter im vorigen Wahlkampf ganz unverhohlen für die AfD einsetzten.
Für den weltweiten Trend hin zu rechtsextremen Autoritarismus wird die Machtergreifung des Trump Regimes wie ein Katalysator wirken.
Das Ganze fällt in eine Zeit, in der die Demokratie global am kriseln ist.
Zeitenwende heißt handeln!
Was heißt das alles jetzt für uns, für die EU, für die Idee der Demokratie, Sicherheit, Wohlstand – wie wir leben wollen?
Noch scheint sich die Welt in einer Art Schockstarre zu befinden, sowohl in den USA selbst, als auch außerhalb. Zu ungeheuerlich die Vorgänge! Die Starre scheint sich erst allmählich zu lösen, erste Proteste werden lauter, Widerstand wächst. Doch noch dauert es, bis alle sich der Dimensionen bewusst werden.
Was heraufzieht, ist eine bedrohliche Welt mit faschistischen Zügen. Sollte es den US Amerikanern nicht gelingen, den Staatsstreich des Trump Regimes zu stoppen, hat die freie Welt ein gewaltiges Problem mehr.
Was jetzt gefragt ist, ist ein Bollwerk zur Verteidigung der Welt, wie wir sie kennen. Mit einem Bekenntnis zu Demokratie und Menschenrechten.
Doch anstatt einer klaren Abgrenzung, einem engagierten Aufbäumen des freiheitlichen Lagers, erleben wir in Deutschland eher Gegenteiliges. Kurz vor Trumps Machtantritt fällt eines der größten Tabus der deutschen Innenpolitik, die Beschaffung von Mehrheiten mithilfe post-faschistischer Kräfte.

Was heißt das alles jetzt für uns, für die EU, für die Idee der Demokratie, Sicherheit, Wohlstand – wie wir leben wollen?
Noch scheint sich die Welt in einer Art Schockstarre zu befinden, sowohl in den USA selbst, als auch außerhalb. Zu ungeheuerlich die Vorgänge! Die Starre scheint sich erst allmählich zu lösen, erste Proteste werden lauter, Widerstand wächst. Doch noch dauert es, bis alle sich der Dimensionen bewusst werden.
Was heraufzieht, ist eine bedrohliche Welt mit faschistischen Zügen. Sollte es den US Amerikanern nicht gelingen, den Staatsstreich des Trump Regimes zu stoppen, hat die freie Welt ein gewaltiges Problem mehr.
Was jetzt gefragt ist, ist ein Bollwerk zur Verteidigung der Welt,
wie wir sie kennen. Mit einem Bekenntnis zu Demokratie und
Menschenrechten. Doch anstatt einer klaren Abgrenzung, einem engagierten Aufbäumen des
freiheitlichen Lagers, erleben wir in Deutschland eher Gegenteiliges.
Kurz vor Trumps Machtantritt fällt eines der größten Tabus der deutschen
Innenpolitik, die Beschaffung von Mehrheiten mithilfe
post-faschistischer Kräfte.
Was geschehen müsste: Investitionen in Bildung, Soziales, Integration, Demokratieförderung, konzertierter Kampf gegen antidemokratische Strömung und Desinformationen, ein mehr an Bürgerbeteiligung und demokratischen Prozessen, Stärkung der Zivilgesellschaft, Investition in Kultur, engagierter Kampf für Umwelt und Klima, Stärkung der Entwicklungshilfe, um den Verlust der US Hilfe ansatzweise zu kompensieren, ein Staat, der den Bürger wieder für sich gewinnt. Doch was uns erwartet: eine beispiellose Aufrüstung, mehr Überwachungsbefugnisse für den Staat, Aufweichung von Umweltauflagen und Bürgerbeteiligungen, Konfrontation mit der Zivilgesellschaft (Kleine Anfrage der CDU), Einsparungen im Sozialen und wachsenden Druck auf die untersten Bevölkerungsschichten, Pflichtdienste, Militarisierung, Annährung statt Abgrenzung zur extremen Rechten. Wie soll so für die Demokratie geworben werden, den Antidemokraten Einhalt geboten werden?
Unter diesen Voraussetzungen wird es nicht leichter, dem heraufziehenden Sturm eines entfesselten Autokratismus à la USA entsprechend standzuhalten. Vielmehr kommt es jetzt auf jede/-n Einzelne/-n von uns an. Es gilt die Demokratie zu verteidigen, im Innern wie im Außen. Wir alle sind Teil dieser Gesellschaft und bestimmen den Kurs. Wenn wir jetzt nicht lauter werden, ins Handeln kommen – sei es durch Widerspruch im eigenen Umfeld, Leserbriefe, Protest und Aktivismus in all seinen Formen – sei es ein konstruktiver Forenbeitrag oder die Teilnahme an einer Demonstration, das Gespräch mit seinen Abgeordneten oder Spenden an die Zivilgesellschaft. Ein heraufziehender Faschismus 2.0 kann niemanden kalt lassen. Dies zu artikulieren, aufzustehen, wenn Brandmauern geschliffen werden, nicht wegzugucken, wenn Unmenschlichkeit geschieht – Passivität können wir uns nicht mehr leisten – Nie wieder bedeutet immer jetzt!
Für wehret den Anfängen ist es bereits zu spät, doch noch besteht die Chance auf Umkehr. Es liegt in unserer Hand. Wir brauchen eine Zeitenwende von der Zeitenwende! Im Sinne des Planeten und der freien Menschheit – Es ist 5 nach 12. Vamos! Möchte man am liebsten rufen. Was es jetzt bräuchte, ist eine konsequente Mobilisierung demokratischer Gegenkräfte. Die Allianz aus Kapital und Trumpschen Autoritarismus werden wie ein Brandbeschleuniger für eben diese Art von Politik weltweit wirken. Der schon länger vorherrschende Trend des Macht- und Einflussgewinns rechtspopulistischer Strömungen könnte so noch einmal an Fahrt gewinnen. So müssen alle Anstrengungen unternommen werden, diesen Trend zu stoppen und umzukehren. Bezogen auf die Europäische Union bedeutet dies ein energisches Vorgehen gegen die schleichende Erosion im Innern sowie der Einsatz und ein klares Bekenntnis zu den Grundwerten nach außen.
Am Beispiel Ungarn sehen wir, dass der Weg zum Autoritarismus auch innerhalb der EU möglich ist. Die Auseinandersetzung und der Wille zur Intervention können nur als mangelhaft bezeichnet werden. Dabei ist Ungarn nicht das einzige EU Land, was bedenklich auf der Kippe steht. Gegen Ungeheuerlichkeiten wie der Missachtung des internationalen Strafgerichtshofes durch Victor Orban, dem Austritt aus den Landminen- und Streumunitionsverbotsabkommen durch einige EU Staaten, den Menschenrechtsverletzungen an den EU Außengrenzen – Dinge, die bereits jetzt die Grundwerte der EU in Frage stellen, müssen sich die EU Institutionen klar positionieren. Gerade in Zeiten, in denen Grund- und Menschenrechte zur Disposition stehen, braucht es ein umso stärkeres Bekenntnis zu ihnen. Hier muss die EU ein umso strahlenderes Vorbild sein, und vor allem glaubwürdig. Und dies kann nur gelingen, wenn auf dieser Ebene alles getan wird – eine humanitäre Migrationspolitik, Redemokratisierungsprogramme initiieren, antidemokratisch-populistischen Strömungen aktiv begegnen, am besten eben durch gute Politik den Nährboden entziehen – Aufgaben die dringend angegangen werden müssen.

Aber auch die EU als Organ selbst muss sich wandeln. Hier stehen ebenfalls Reformen und Demokratisierungsprozesse aus.
Die Antwort auf die Zeitenwende und Trump kann nicht die bisherige sein. Langfristig gilt es darüber nachzudenken, ob die Subventionierung und Alimentierung eines Wirtschaftssystems, was auf Ausbeutung und Naturverbrauch ausgelegt ist und zu mehr Ungerechtigkeit, Armut und Wohlstandsverlust führt und eben zu diesen Zeitenwende Zeiten führt – so sinnvoll ist.
Es bleibt zu hoffen, dass rund 80 Jahre demokratische Nachkriegsordnung ihre Spuren im Menschheitsgetriebe hinterlassen haben und das globale demokratische Lager resilient genug ist, ein Umkippen hin zu vordemokratischen Zeiten zu verhindern. Schwer angeschlagen ist die Idee von Gleichheit, Brüderlichkeit und Freiheit. Es liegt an uns, Mutter Demokratie wieder auf die Beine zu helfen. Nutzen wir die Möglichkeiten, die wir haben – unsere Freiheiten, die wir mehr denn je zu verteidigen haben. Wählt! Demonstriert! Schreibt! Bildet Initiativen! Schließt Euch an! Sagt Nein! Schweigt nicht, wenn Unrecht geschieht! Noch dürfen wir… zumindest ein wenig. Findet den Mut – soweit es persönlich geht. Denn es ist kein Geheimnis, auch in Deutschland wird es für die Engagierten rauer – und zum Teil gefährlich. Doch Einschüchterung ist keine Option.
Dies alles hört sich dramatisch an. Ist es auch. Deshalb der etwas kämpferische Ton. Der Text soll wachrütteln! In was für einer Zeit leben wir gerade? Anhand der 4 historischen Daten sehen wir, dass sich etwas verschoben hat. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, droht ein Rollback in finstere Zeiten.
Noch ist es nicht zu spät.
Bildquellen:
Bild „Deutscher Bundestag“ von Eren Aydınoğlu auf Pexels
Bild „Proteste in den USA“ von Rosemary Ketchun auf Pexels
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