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Zwei Rivalen mit Atomwaffen – was bedeutet das für uns?
Seit ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1947 stehen sich Indien und Pakistan in tiefer Feindschaft gegenüber. Mehrmals ist es zwischen den beiden Ländern bereits zu Kriegen gekommen – zuletzt 1999. Besonders brisant: Beide Länder besitzen Atomwaffen. Aber was bedeutet das konkret? Und wie gefährlich ist die Situation heute noch?
Der Weg zur Atommacht
Indien startete sein Atomprogramm schon kurz nach der Unabhängigkeit – zunächst rein zu Forschungszwecken. 1974 testete es jedoch seine erste Atombombe. Offiziell sprach man damals von einer „friedlichen nuklearen Explosion“. Erst 1998 erklärte sich Indien dann ganz offiziell zur Atommacht.
Pakistan begann sein Atomprogramm als Reaktion auf Indien – mit dem Ziel, die militärische Balance zu wahren. Auch hier dauerte es bis 1998, bis Pakistan Atomwaffen testete und sich damit als siebte Atommacht der Welt etablierte.

Heute: Zwei Länder, zwei Atomwaffenarsenale
Stand 2025 besitzen beide Länder etwa gleich viele nukleare Sprengköpfe: rund 170 bis 172, schätzt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI. Beide Länder entwickeln und modernisieren ihre Arsenale stetig weiter. Indien verfügt über eine sogenannte „nukleare Triade“ – das bedeutet: Es kann Atomwaffen per Flugzeug, von Schiffen und über Raketen auf dem Land abfeuern. Pakistan hingegen setzt auch auf sogenannte taktische Atomwaffen – kleinere Atomwaffen, die auch auf dem Schlachtfeld eingesetzt werden könnten. Diese Strategie soll helfen, die militärische Überlegenheit Indiens auszugleichen.

Unterschiedliche Strategien: Zurückhaltung vs. Unklarheit
Indien verfolgt eine relativ klare Doktrin: Atomwaffen sollen nur zur Abschreckung dienen, und der erste Einsatz („First Strike“) ist ausgeschlossen. Das bedeutet: Indien würde nur im Fall eines nuklearen Angriffs zurückschlagen – nicht vorher. Diese Haltung wird als „No First Use“-Prinzip bezeichnet.
Doch in den letzten Jahren gab es Stimmen in Indien, die fordern, dieses Prinzip zu überdenken – was für Unsicherheit sorgt. Pakistan hingegen lässt bewusst offen, wann es Atomwaffen einsetzen würde. Das Land betont aber, dass es sich das Recht auf einen Erstschlag vorbehält. Diese Unklarheit ist Teil der Strategie: Sie soll potenzielle Gegner abschrecken.
Krisenherd Kaschmir – ein ewiger Streitpunkt
Ein zentraler Zankapfel zwischen beiden Ländern ist die Region Kaschmir im Himalaya. Sowohl Indien als auch Pakistan beanspruchen das Gebiet für sich. Seit Jahrzehnten kommt es dort immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen. Und: Auch China erhebt Ansprüche auf Teile Kaschmirs. Die Gefahr: Sollte ein Konflikt in dieser Region eskalieren, könnten Atomwaffen zumindest theoretisch zum Einsatz kommen.

Die Rolle der EU im Schatten atomarer Spannungen
Die Europäische Union verfolgt die Entwicklungen zwischen Indien und Pakistan mit großer Aufmerksamkeit – auch wenn sie in der Region keine direkte sicherheitspolitische Rolle spielt. Ihr Interesse liegt vor allem in der Stabilität Südasiens, einer Region mit wachsender wirtschaftlicher Bedeutung und zugleich hoher geopolitischer Spannung.
Die EU setzt auf Dialog, zivile Konfliktprävention und multilaterale Zusammenarbeit. Sie unterstützt Abrüstungsinitiativen und spricht sich wiederholt für vertrauensbildende Maßnahmen aus – insbesondere im Hinblick auf den Kaschmir-Konflikt. Die EU betont die Bedeutung des Völkerrechts, ruft beide Seiten zur Zurückhaltung auf und ermutigt zur Wiederaufnahme bilateraler Gespräche.
In Handelsfragen pflegt die EU enge Beziehungen zu Indien, aber auch Pakistan ist ein wichtiger Partner, etwa im Rahmen des „GSP+“-Handelsvorteilsprogramms. Insgesamt verfolgt die EU einen ausgewogenen Kurs und vermeidet es, in regionale Machtkonflikte Partei zu ergreifen – mit dem Ziel, zur Stabilität und friedlichen Koexistenz in Süd- und Zentralasien beizutragen.
Fazit: Ein gefährliches Gleichgewicht
Indien und Pakistan sind ein Beispiel dafür, wie gefährlich regionale Konflikte in Zeiten atomarer Bewaffnung sein können. Beide Länder verfügen über moderne Atomwaffen und verfolgen unterschiedliche Strategien. Solange der Konflikt um Kaschmir ungelöst bleibt, bleibt auch die Lage in Südasien angespannt. Gleichzeitig zeigt das Beispiel, wie wichtig internationale Diplomatie und Abrüstungsbemühungen sind – nicht nur für die Region, sondern für den Weltfrieden insgesamt.
Bildquellen: Naveed Ahmed auf Unsplash, Rish Agarwal auf Unsplash
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