- EIZ Rostock
Schengen-Raum, Dublin-Abkommen, FRONTEX und GEAS? Viele Abkommen zwischen den EU-Ländern und zusätzliche nationale Regelungen. Grenzschutzpolitik an den EU-Außengrenzen ist ein bedeutendes Politikum – nicht nur heutzutage, sondern schon seit vielen Jahren.
Die Europäische Union befasst sich mit zunehmenden Sicherheitsbedenken und verabschiedete verschiedene Maßnahmen, um u.a. den Erhalt der Binnengrenzen zu wahren.
Der Schengen-Raum
Durch das Schengen-Abkommen gibt es offene Binnengrenzen in weiten Teilen Europas. Seit dessen Einführung fordert die EU auch eine einheitliche Kontrolle der Außengrenzen.
Das Schengen-Abkommen hat seinen Ursprung im Sommer 1985, zwischen Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg und der Niederlande. Es wurde benannt nach einem Ort in Luxemburg nahe der Grenze zu Deutschland und Frankreich. Das Ziel war damals der Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen. Die Unterzeichnung erfolgte fünf Jahre später im Sommer 1990 und das Abkommen trat 1995 vollständig in Kraft.
Die verschiedenen Regelungen beinhalteten ebenfalls das Thema Asylfragen: es sollte vereinfacht werden, das für einen Asylantrag zuständige Mitgliedsland zu bestimmen. Einhergehend damit kam es zur Vereinheitlichung der Außengrenzkontrollen mit enger polizeilicher und justizieller Zusammenarbeit.
Der Schengener Grenzkodex beinhaltet Vorschriften für das Überschreiten der Außengrenzen und Bedingungen für Wiedereinführung vorübergehender Kontrollen an den Binnengrenzen. Die Mitgliedstaaten verpflichteten sich, alle Personen beim Grenzübertritt systematisch mit Datenbaken abzugleichen. Die Datenbanken sind Teil des Schengener Informationssystems (SIS).
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS)
Wie bereits erwähnt geht für die EU seit der Öffnung der Binnengrenzen dies auch mit der Frage nach dem Schutz der Außengrenzen einher. Die EU hat in diesem Jahr beschlossen, ihr Gemeinsames Europäisches Asylsystem zu reformieren. Im Mai 2024 kam es zum Beschluss von elf Gesetzgebungsakten. Allgemeines Ziel ist es, die Migration insgesamt zu steuern und dabei humanitäre Standards für Geflüchtete einzuhalten. Es soll vereinheitlichte Regeln für alle EU-Mitgliedstaaten geben. Unter anderem wurde die Einführung eines Screenings und der Datenerfassung an den EU-Außengrenzen für Asylsuchende beschlossen.
Durch einen „Solidaritätsmechanismus“ soll gewahrt werden, dass die Mitgliedstaaten mit hohem Migrationsdruck von anderen Staaten entlastet werden – z.B. durch die Übernahme von Personen, finanzielle Unterstützung oder Sachmittel.
Mit der Reform schuf die EU neue klare und rechtssichere Verfahren, um Mindeststandards für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden festzulegen. Im Zuge dieser Reform erfolgte eine Überarbeitung der bisher geltenden Dublin-Regeln. Ziel ist es, die Verfahren zu beschleunigen und Sekundärmigration innerhalb der EU zu vermeiden. Bei Stellung eines Asylantrages ist dabei das jeweilige Mitgliedsland in der Verantwortung für die Bearbeitung des Verfahrens, in dem der Antrag gestellt wurde.
Frontex
Die Europäische Grenz- und Küstenwache agiert als Zusammenschluss von Frontex und den nationalen Behörden. Die Gründung von Frontex erfolgte im Jahr 2004 durch eine Verordnung des Rates der EU als Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen. Ihr Sitz ist in Warschau.
2017 kam es zum Ausbau von Frontex zur Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache, dennoch ist weiterhin der Name „Frontex“ gebräuchlich. Durch Einführung des Schengen-Raumes bekam die Sicherung der Außengrenzen eine neue Bedeutung für Europa.
Was sind die Aufgaben von Frontex?
Zu den Aufgaben der Agentur gehören die Koordinierung der EU-Mitgliedstaaten, die Unterstützung bei der Ausbildung von Grenzschutzbeamten, die Entwicklung gemeinsamer Modelle zur Gefahrenbewertung, Risikoanalyse und Unterstützung der Mitgliedstaaten in besonderen Situationen
Grundlegend bleiben aber die Mitgliedstaaten verantwortlich für die Überwachung an den Außengrenzen, Frontex hat dabei eher einen ergänzenden und unterstützenden Charakter. Seit 2015 unternahm die EU verschiedene Budget- und Personalerhöhungen, mit dem aktuellen Ziel, die Zahl der bei Frontex aktiven Grenzschutzbeamten auf 10.000 zu erhöhen. Es erfolgt dabei ebenfalls die Zusammenarbeit mit Staaten wie Island und Norwegen, welche nicht Teil der EU und des Schengen-Abkommens sind. Das Budget von Frontex betrug im Jahr 2023 ca. 845 Mio. Euro.
Zentrales Thema ist die „Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität über die Luftüberwachung und Informationserhebung bis hin zur Unterstützung bei Rückführungsverfahren und Ermittlung neuer Technologien“. Frontex ist in der gesamten EU tätig und operiert mit zurzeit mehr als 2000 Einsatzkräften, Patrouillenfahrzeugen, Flugzeugen und Booten.
Die EU hat die Fähigkeiten und Tätigkeiten von Frontex in den letzten Jahren sukzessive erweitert. Vor allem die Rolle der Agentur bei der Rückführung von Migrant*innen gemäß Beschlüssen nationaler Behörden stellt ein zentrales Arbeitsfeld dar. Mittels eines Vorschlags der Kommission kann der Rat der EU Frontex auffordern, einzugreifen und Mitgliedstaaten zu unterstützen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn eine Außengrenze hohem Druck ausgesetzt scheint und somit das Funktionieren des Schengen-Raumes in Gefahr stünde. Bei einer Verweigerung der Annahme dieser Unterstützung steht den weiteren Staaten frei, vorrübergehend Binnengrenzkontrollen wiedereinzuführen.
2019 bekam Frontex weitere Befugnisse in Form eines neuen Mandats. Damit einhergehend erfolgte eine gestärkte Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Bereich Rückführungen.
Verstärkte Kontrollen an den Außengrenzen
Seit 2017 gibt es verstärkte systematische Kontrollen für alle Personen an den EU- und Schengen-Außengrenzen. Dies gilt auch für Personen, die wohnhaft in der EU sind. Das EU-Parlament sprach sich für die Errichtung eines gemeinsamen elektronischen Systems aus, um diese Kontrollen zentral zu kontrollieren und einreisende Nicht-EU-Bürger*innen zu registrieren.
Bei der elektronischen Erfassung der Einreisenden gibt es einige Differenzierungen. Zum einen gibt es die Genehmigung für von der Visumspflicht befreite Reisende aus Nicht-EU-Staaten (ETIAS). Menschen, die kein Visum benötigen, müssen sich zuvor eine elektronische Reisegenehmigung einholen, welche drei Jahre bzw. bis zum Ablauf des Reisepasses Gültigkeit besitzt. Dadurch ist die mehrfache Einreise in den Schengen-Raum für Aufenthalte von max. 90 Tagen innerhalb eines halben Jahres möglich. Dieses System soll voraussichtlich 2025 eingeführt werden.
Geht es um potentielle Migrant*innen greift eine andere Regelung. Das EU-Parlament sprach sich im April 2024 für ein neues Migrations- und Asylpaket aus, wobei es vornehmlich um die Überarbeitung der Einreise und Personenkontrolle geht. Diese Regeln greifen, wenn Personen nicht die Einreisebedingungen des jeweiligen EU-Landes erfüllen und beim Überqueren der EU-Grenze z.B. auf See aufgegriffen werden. Diese und auch Menschen, die sich bereits im EU-Raum aufhalten und keine entsprechende Genehmigung haben, müssen sich einem „Screening“ unterziehen. Dieses Verfahren umfasst Identifikation, Aufnahme von Fingerabdrücken, Sicherheitskontrollen und eine Gesundheits- und Gefährdungsbeurteilung und soll laut Regeln maximal sieben Tage dauern. Das Screening ist Teil der neuen GEAS-Reform.
Ein weiterer Punkt des Pakets ist die schnellere und obligatorische Entscheidung über den Asylstatus direkt an den Außengrenzen. Eine Ablehnung kann erfolgen, wenn eine „Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung“ besteht, wenn die Person „die Behörden getäuscht hat“ oder wenn die jeweilige Person „aus einem Land stammt, in dem typischerweise weniger als 20 % der Asylanträge genehmigt werden“. Frontex dient genau an diesem Punkt der Unterstützung der Arbeit der Grenzschutzbeamten. Vor allem das bereits erwähnte Rückführungsmandat und die engere Zusammenarbeit mit Drittstaaten spielen hier eine essentielle Rolle.
Aufgrund mehrfacher Kritik an den Arbeitsweisen von Frontex und Verstößen gegen EU-Recht erfolgte im Januar 2021 die Einrichtung einer “Kontrollarbeitsgruppe Frontex”, um die Agentur zu überwachen.
Kritik an Frontex
In den letzten Jahren wurde vermehrt die Arbeit von Frontex kritisiert. Die häufigsten Kritiken drehten sich um die Beteiligung der Agentur an illegalen Zurückweisungen von Migrant*innen, sogenannten „Pushbacks“. Das bedeutet, dass Menschen an den Grenzen abgewiesen werden, ohne dass sie die Möglichkeit haben, Asyl überhaupt zu beantragen. Nach internationalem Recht und der Genfer Flüchtlingskonvention verletzt diese Praxis das Recht auf Asyl und den Schutz der Menschenrechte.
Es gibt zahlreiche Dokumentationen von Menschenrechtsorganisationen (z.B. Amnesty International), welche das Mitwirken von Frontex an solchen illegalen Zurückdrängungen in Ländern wie Griechenland, Ungarn oder Kroatien dokumentieren. Ein weiterer Vorwurf richtet sich gegen fehlende Transparenz und mangelnde Verantwortung bzw. Rechenschaftspflicht seitens Frontex. Unter anderem fehle es an der Sicherstellung der rechtlichen Standards und der ausbleibenden Dokumentation und Nachverfolgung von Menschenrechtsverletzungen.
Auch in Sachen der Koordination der Sicherheit an den Grenzen erhielt Frontex viel Kritik. Dabei geht es vor allem um die humanitären Bedürfnisse von Flüchtlingen, welche nur unzureichend befriedigt werden. Dazu gibt es verschiedene Berichte, in denen trotz vorhandener finanzieller Ressourcen von unterlassener Hilfeleistung bei in Seenot geratenen und/oder überfüllten Flüchtlingsbooten die Rede ist. Bei der Rückführung von Migrant*innen – einer der Schwerpunkte der Arbeit von Frontex – habe laut Kritiker*innen die vermehrte Zusammenarbeit mit autoritären und menschenrechtsverletzenden Staaten stattgefunden (z.B. Türkei, Libyen und Marokko).
Fazit
Die Politik der EU beim Thema Außengrenzen und Migration befindet sich in einer schwierigen Dynamik – allerdings nicht erst seit gestern. Es handelt sich um ein viel diskutiertes Thema, das vor allem durch verschiedene Verfahren, Regelungen und Abkommen geprägt ist. Gleichzeitig geht in dieser Debatte auch um hilfesuchende Menschen, welche an den EU-Außengrenzen ankommen. Die aufkommende Kritik an Frontex und damit auch an der EU sollten dabei nicht untergehen, um einen humanitären Umgang nicht aus den Augen zu verlieren.
Pushbacks an der EU-Grenze - Menschenrechtsverletzungen mit System?
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