Gestern lud die Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern zum Medientreff nach Schwerin ein. „Die Klügeren lernen weiter. Warum mediales Wissen im Alter wichtig ist“ lautete der Titel der Fachtagung in der IHK zu Schwerin. Dahinter verbirgt sich der umfangreiche Themenkomplex der Medienbildung für die Seniorinnen und Senioren im Bundesland. Neben der Begrüßung durch den Direktor der Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern, Bert Lingnau und dem Grußwort der Landesregierung durch die Sozialministerin Stefanie Drese, wurden zwei Einstiegsvorträge gehalten:
Meike Otternberg vom Deutschen Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) aus Hamburg stellte Ergebnisse einer Studie zum Thema „Digitale Lebenswelten der über 60-jährigen in Deutschland“ vor. Kernaussage dieser Studie ist „Ohne digitale Teilhabe keine soziale Teilhabe“.
Als Gründe, warum viele ältere Menschen offline bleiben, werden vor allem Sicherheitsbedenken sowie die Sorge, Risiken hilflos ausgesetzt zu sein, angeführt. Gleichzeitig erkennen aber auch viele Offliner und Gelegenheitsnutzer die Digitalisierung als wesentliche Entwicklung für die Zukunft unserer Gesellschaft. Wenn sie andere – zum Beispiel Kinder und Enkel – darum bitten, für sie im Internet aktiv zu werden, werden sie gewissermaßen zu „Passiv-Onlinern“. Weitere wichtige Ergebnisse sind u.a., dass der Wunsch nach digitaler Teilhabe wächst. Vertraten 2012 noch 27 Prozent der Ü60 die Meinung, dass sie an dem, was im Internet passiert, teilhaben wollen, sind es 2016 bereits 38 Prozent. Darüber hinaus hat sich auch der Anteil der Smartphone-Besitzer bei den über 60-Jährigen von 2012 bis 2016 versechsfacht und ist von 4 Prozent auf 24 Prozent gestiegen. Die komplette Studie ist auf der Homepage des DIVSI zu finden.
Im zweiten Vortrag stellten Prof. Dr. Roland Rosenstock von der Universität Greifswald und Anja Schweiger vom Medienzentrum Greifswald e.V. wichtige Eckpunkte einer erfolgreichen Medienbildung im mittleren und höheren Alter dar. Welcher Typ von Senior soll erreicht werden. Shy Guy oder Bonvivant? In diesem Kontext waren vor allem die Ausführungen zum Leistungsvermögen der Medienbildung im Bereich Gesundheit und Pflege interessant.
Beide Vorträge verdeutlichten das große Potenzial der Medienbildung für Senioren und betonten gleichzeitig, dass dieses noch lange nicht ausgeschöpft ist.
Geförderter Breitbandausbau in MV
Gerne wird von der Landespolitik auf den nunmehr vorangetriebenen Breitbandausbau in MV hingewiesen. Die Bundesregierung hat das Ziel ausgegeben, dass bis 2018 deutschlandweit flächendeckende Breitbandanbindungen mit Datenraten von mindestens 50Mbit/s vorhanden sein sollen. Wir haben Mitte 2017 und in etwa 18 Monaten wird es dann wohl soweit sein. Zum Erreichen des Ziels hat der Bund 4 Mrd. Euro bereitgestellt. Da MV in der Versorgung mit entsprechendem Breitband eine der letzten Positionen im gesamtdeutschen Vergleich einnimmt, wurden zahlreiche Projekte für den geförderten Breitbandausbau ausgewählt und das Land profitiert daher beachtlich von den Bundesgeldern. Doch für eine umfangreiche Medienkompetenzbildung reicht der Hinweis auf den nunmehr baldigen Breitbandausbau nicht aus. Einen ersten Aufschlag zu einer umfangreichen Medienbildung hat die Kultusministerkonferenz (KMK) mit ihrer Strategie „Bildung in einer digitalen Welt“ gemacht.
Auch wenn diese Strategie vorerst lediglich die Kompetenzbereiche für junge Menschen in Schule, Ausbildung und Studium abdeckt, gibt sie jedoch ein klares Handlungskonzept für die Gestaltung einer der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit vor. Mit Spannung wird die für Herbst 2017 angekündigte Strategie für die Bereiche der allgemeinen und politischen Weiterbildung erwartet.
Was sagt die Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“?
Die Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ wurde 2012 durch den Landtag eingesetzt. Sie sollte auf Grundlage der bestehenden Erkenntnisse zum demografischen Wandel Maßnahmen empfehlen, die geeignet sind, den Teilhabe- und Versorgungsansprüchen einer älter werdenden Bevölkerung Rechnung zu tragen.
In den Berichten der Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ spielen die Themen Medienbildung bzw. Breitbandausbau jedoch lediglich eine untergeordnete Rolle. Eine Übersicht aller Berichte finden Sie hier. Hauptsächlich ging es um altersgerechtes Wohnen und die Förderung von Engagement.
Zahlreiche Projekte im Bereich der Medienkompetenzförderung für Senioren werden durch ehrenamtliches Engagement durchgeführt. Nicht zuletzt das Projekt SilverSurfer vom EIZ Rostock. Gerne werden die SilverSurfer auf Landesebene als Best Practice Projekt aufgeführt.
Das jedoch neben dem ehrenamtlichen Engagement der aktiven SilverSurfer eine hauptamtliche Koordination erforderlich ist, wird leider außen vor gelassen. Bisher konnte sich noch keine Abteilung der Landesregierung bzw. der Ministerien zur finanziellen Unterstützung des erfolgreichen Projektes durchringen.
Podiumsdiskussion Medienbildung im Alter: Was leistet die Politik in M-V dafür?
Spätestens ab diesem Punkt erwartet man, dass die Landespolitiker eine breite Palette erfolgreicher Vorhaben aufführen und eine klare Strategie der Medienbildung für Senioren aufzeigen. Leider wurden auch diese Erwartungen nicht erfüllt. Die Podiumsteilnehmer wiesen klar auf die Unzulänglichkeiten und den Entwicklungsstillstand innerhalb dieses doch so wichtigen Themengebietes hin. Die Reserven und fast unendlichen Möglichkeiten einer durchdachten Medienbildung wurden nachdrücklich und nachvollziehbar aufgezeigt. Der politische Hinweis auf die Etablierung möglicher „Kümmerer“ direkt in den Kommunen und die Aussicht einer finanziellen Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements durch die Ehrenamtsstiftung Mecklenburg Vorpommern, wurde von den Anwesenden „müde belächelt“ und teilweise „kopfschüttelnd“ zur Kenntnis genommen. Sollte es bei diesen Vorhaben für eine erfolgreiche Medienbildung in MV bleiben, wird es in den nächsten Jahren schwierig werden mit der sozialen Teilhabe der Bürger. Denn wie bereits vom DIVSI klar benannt: „Ohne digitale Teilhabe keine soziale Teilhabe“.
Als Folge dessen stellt sich die Frage:
Warum fiel die Anwesenheit interessierter Landespolitiker bei einer zukunftsweisenden Veranstaltung eher dürftig aus?
MV ist ein Flächenland, dass sich mit einem rasanten demografischen Wandel auseinander setzen muss. Unterschiedliche Studien zeigen klar auf, dass die Bevölkerung bis 2030 stark altern wird. Während der Seniorenanteil bis 2030 von 20 Prozent auf 36 Prozent der Bevölkerung, wächst, kann sich der Anteil der Hochbetagten im selben Zeitraum von 4 auf 10 Prozent mehr als verdoppeln1. Mit Blick auf die Bevölkerungsstruktur und –entwicklung sollten die Landespolitiker ein großes Interesse an einer hohen Medienkompetenz der Senioren haben. Schließlich sind über 90% der Politiker im Internet mit einer eigenen Homepage und auf den Social-Media-Kanälen Facebook und Twitter zu finden. Auf diesem Weg möchten die Politiker die breite Landesbevölkerung schnell und unmittelbar über aktuelle politische Geschehnisse informieren. Dies wird nur schwierig, wenn weder der entsprechende Empfang im ländlichen Raum gegeben ist, noch deren Nutzer, insbesondere die Senioren, das Wissen im Umgang mit den Informations- und Kommunikationstechnologien besitzen.
Unser Hinweis an dieser Stelle:
Die Europäische Union verfolgt seit Jahren den Ausbau eines digitalen Binnenmarktes und hat dafür eine Drei-Säulen-Strategie veröffentlicht2.
Diese drei Säule sind:
- Besserer Zugang zu digitalen Waren und Dienstleistungen
- Optimale Rahmenbedingungen für digitale Netzte und Dienstleistungen
- Digitale Wirtschaft als Wachstumsmotor
Darüber hinaus wies Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Nation im September 2016 auch auf das EU-Finanziert Projekt „WiFi4EU“ hin. „Wenn der Netzausbau allenzugutekommen soll, heißt das auch, dass es keine Rolle spielen darf, wo man lebt oder wie viel man verdient. Wir schlagen deshalb heute vor, bis 2020 die wichtigsten öffentlichen Orte jedes europäischen Dorfes und jeder europäischen Stadt mit kostenlosem WLAN-Internetzugang auszustatten.“
Am 29.Mai 2017 wurde das Projekt vom Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission durchgewunken. In der Praxis bedeutet dies, dass sich lokale Behörden (Gemeinden oder Gemeindeverbände), die WLAN an Orten anbieten möchten, an denen noch kein vergleichbares privates oder öffentliches Angebot verfügbar ist, in einem einfachen und unbürokratischen Verfahren um Fördermittel bewerben können3.
Quellenangaben:
1 GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften http://www.gesis.org/home/
2 https://ec.europa.eu/commission/priorities/digital-single-market_de
3 http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-1470_de.htm