Neben der Erwachsenenbildung fördert das Europäische Integrationszentrum Rostock e.V. auch Partizipationsmöglichkeiten für Jugendliche. So wurde von Januar bis März Kurs der Europäischen Wirtschafts- und Sprachenakademie, durch den Diplom-Theologen F. Hamburger betreut.
Das EIZ Rostock organisierte im Zuge dieses Kurses ein Besuch der Jüdischen Gemeinde Rostocks. Bevor es zur Synagoge ging, unternahm die Gruppe mit einer Führung zu den Stolpersteinen eine Reise in das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte. Diese Stolpersteine sind in den Bürgersteig eingelassene Gedenktafeln, gewidmet jüdischen Mitbürgern, welche dem Holocaust zum Opfer fielen.
Das jüdische Gemeindezentrum befindet sich seit 2004 in der Augustenstraße 20, unweit des Standortes der alten Synagoge in der Augustenstraße 101. Jene wurde in der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 von Nazischergen niedergebrannt. Die lokale Nähe kommt nicht von ungefähr: Sie zeigt auf, dass die Mitglieder der heutigen Jüdischen Gemeinde keine Fremden sind, sondern sich als Nachfolger in der Tradition der ehemaligen Gemeinde sehen.
Besuch in der Synagoge
In der Synagoge wurde die Gruppe von dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Juri Rosov empfangen. Die Teilnehmer nahmen auf den Bänken des Gotteshauses Platz und die männlichen Teilnehmer bedeckten ihre Häupter mit einer Kippa. Es folgte eine unterhaltsame und lehrreiche Vorstellung der Jüdischen Gemeinde in Rostock, sowie eine Einführung in die jüdische Kultur und Lebensart. Aktuell zählt die Gemeinde 615 Gläubige. Juri Rosov beschreibt die Gemeinschaft als tolerant, denn sie steht allen Richtungen des jüdischen Glaubens offen, sei es orthodox, konservativ oder liberal. Die Synagoge sieht sich als ein Ort der Begegnung und fördert das gemeinschaftliche Erleben der Rostocker.
Drei Thorarollen, dem heiligen Buch der Juden, befinden sich in Rostocks jüdischer Gemeinde. Ein nicht koscheres und daher berührbares Ansichtsexemplar macht die schwere Rezitation der Heiligen Schrift deutlich. Der Text kommt ohne Leerzeichen und Vokale aus und ist nur gelehrten Rabbinern zugänglich, welche den Text zuvor auswendig gelernt haben.
In der anschließenden Fragerunde fand offener Diskurs statt. Es wurden unklar gebliebene Fragen rund um das Gemeindeleben und das Judentum an sich beantwortet. Juri Rosov betonte, dass er und seine Gemeindemitglieder sich in Rostock sicher fühlten, trotz vereinzelter Anfeindungen und der jüngsten Anschläge in Paris und Kopenhagen mit antisemitischen Hintergründen. Der Aufforderung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu an die Juden Europas in das Heilige Land zu emigrieren, erteilte Herr Rosov eine klare Absage. Die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Rostocks seien hier zuhause. Und das ist auch gut so.
(Text: Benjamin Wesel, sammelt im EIZ Rostock seine praktischen Erfahrungen)