Bereits 500 Jahre ist es her, dass Martin Luther seine 95 Thesen an das Portal der Wittenberger Schlosskirche geschlagen haben soll. Seitdem bildete sich ein unaufhaltsamer Personenkult um den in Eisleben geborenen Mönch, der bis heute anhält. Doch wer war Martin Luther wirklich? Das EIZ Rostock möchte dieser Frage nachgehen, ohne anzuklagen oder zu glorifizieren.
Die vielen Namen des Martin
Am 10. November 1483 wurde dem Bauern, Grubenbesitzer, Trunkenbold, Bergmann und späteren Ratsherren Hans und dessen abergläubischen Ehefrau Margarethe ihr erster oder zweiter Sohn geboren. Am folgenden Martinstag, dem 11. November 1483, wurde dieser auf den Namen des Tagesheiligen in der St.-Petri-Pauli-Kirche getauft. Die Freude darüber dürfte sehr groß gewesen sein, doch ahnte noch keiner der beiden, dass eines ihrer 10 Kinder die Grundfesten der Kirche ins Wanken und Europa an den Rand des Chaos bringen würde. Martin wuchs im von Eisleben benachbarten Ort Mansfeld auf, wo die Kirchentreue aber nicht sehr fromme Familie Luder, unter verschiedenen Variationen ihres Nachnamens bekannt war. Lüder, Ludher, Lutter oder Lauther sind nur einige von ihnen. Etwa um 1512 wählte Martin für sich die Nachnamensform Luther, da das „th“ als schick galt und er Missverständnisse mit seinem niederdeutschen Namen Luder, lasterhafter Mensch, in Zukunft vermeiden wollte.
Ein Leben für Gott
Von 1490 bis 1497 besuchte er die Mansfelder Stadtschule und anschließend für ein Jahr die Magdeburger Domschule, die bis heute existiert. Seine Lateinkenntnisse vervollständigte er von 1498 bis 1501 in einer Pfarrschule, sodass er die Sprache später fließend in Schrift und Wort beherrschte. Die nächsten vier Jahre eignete er sich, wie im Mittelalter für einen Mann seines Standes üblich, die sieben freien Künste an. Dazu zählten: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik. Er schloss seine akademische Grundausbildung als Magister artium ab. Hans Luder hatte genaue Pläne für den Werdegang seines intelligenten Sohnes, brachte er ihn doch dazu 1505 Jura zu studieren. Doch die Wege des Herrn sind unergründlich und so beendete Martin die Jurisprudenz nie. Stattdessen wurde er noch im selben Jahr, von einem elterlichen Besuch zur Universität zurückkehrend, von einem schweren Unwetter überrascht. In Todesangst flehte er zur heiligen Anna, der Großmutter Christi, dass er ein Mönch werde, stünde Sie ihm bei. Solche und ähnliche Versprechen waren zur damaligen Zeit üblich, sah man sich in großer Not. Doch wer hielt sich tatsächlich an sein Wort, nachdem ein Heiliger erbarmen für die Ängste eines Sterblichen fand? Martin, der den Aufruhr der Elemente überlebte, dachte jedenfalls nicht daran seinen Schwur zu brechen. Gegen den ausdrücklichen Wunsch seiner Familie trat er am 17. Juli 1505 in das Kloster der Augustiner-Eremiten in Erfurt ein, wo er bereits nach zwei Jahren zum Diakon und zwei Monate später zum Priester geweiht wurde. Ob der Unfähigkeit seine Sünden aus Liebe zu Gott, nicht aber aus Angst zu Büßen litt er Höllenqualen und sein damaliger Beichtvater empfahl ihm daraufhin das Studium der Theologie. Doch bevor Martin Luther damit beginnen konnte, reiste er im Auftrag seines Konvents mit einem Mitbruder in das Heilige Rom. Er, der nie zuvor den thüringisch-sächsischen Raum verlassen hatte, war bestürzt über den Sittenverfall und die mangelnde Ernsthaftigkeit der Gläubigen, die ihm in der ewigen Stadt begegneten. Er selbst ließ es sich nicht nehmen, die dritte Generalbeichte abzulegen und die heilige Treppe am Lateran auf den Knien zu erklimmen. Dieser Akt sollte ihn von seinen Sünden befreien und seine verstorbenen Verwandten aus eventuellen Höllenqualen erlösen.
1511 zog Martin nach Wittenberg und bewarb sich um ein Doktorat. Im folgenden Jahr wurde Luther zum Doktor der Theologie promoviert und übernahm den Lehrstuhl der Bibelauslegung an der Wittenberger Universität. In den folgenden Jahren hielt er begeisterte Vorlesungen über die Psalmen und Paulusbriefe, bis er 1514 zusätzlich zu seiner Lehrtätigkeit auch noch das Amt des Provinzialvikars übernahm. Die Historiker sind sich nicht einig, wann genau Luther seine Erweckung erlebte, die ihm unglaubliche Erleichterung seiner Quälenden Gedanken verschaffte. Sicher ist nur das er beim lesen des Bibelverses: “Denn in ihm wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart aus Glauben zum Glauben, wie geschrieben steht: Der aus Glauben Gerechte wird leben“, ein neues Schriftverständnis entwickelte. Nichts kann die Gnade Gottes erzwingen, keine falschen Versprechen ihn täuschen und nur die wahrhaftige Liebe zu Jesus Christus uns zur Erlösung führen. Doch warum erlaubte die Kirche dann, dass Lasterhafte Menschen sich von Sünden freikaufen konnten? Warum versprach man dem Volk, dass sogar verstorbene aus dem Fegefeuer den Weg zum Herrn finden könnten, zahlten ihre Hinterbliebenen nur genug in die Kassen der Kirche ein? All dies diente nur dazu den Reichtum der Kleriker zu mehren und ihnen beim Abtragen ihrer Schulden zu helfen. Konnte das wirklich noch gottgefällig sein?
Die Welt gerät ins Wanken

Tür der Schlosskirche in Wittenberg
Am 4. September 1517 stellte Luther zunächst 97 Thesen vor, um unter seinen Mitdozenten ein Streitgespräch anzuregen. Im Oktober schreib er weitere 95 Thesen auf, die unter seinen Anhängern verbreitet und angeblich von Martin Luther selbst am 31. Oktober, an das Portal der Wittenberger Schlosskirche geschlagen wurden. Doch schon vor diesen Ereignissen geriet die Alte Welt ins Wanken und der Horizont der Menschen erweiterte sich. Erfindungen wie der Kompass und die Entdeckung Amerikas stellten alles bisher Dagewesene auf den Kopf. Für den Erfolg und die schnelle Verbreitung von Luthers Thesen, ist unter anderem der 1450 von Gutenberg erfundene, moderne Buchdruck verantwortlich und der in Europa aufkeimende Humanismus. Hätte der Papst die Spaltung der Kirche verhindern können, wenn er Luther nur ernster genommen hätte? Obwohl Martin dem Papst die Schlüsselgewalt absprach, hätte er sich diesem noch immer untergeordnet. Heißt es doch in These 7: „Gott erlässt Strafen nur denjenigen, die sich dem Papst unterwerfen.“ Der Kardinal Albrecht von Mainz zeigte Luther in Rom an, nach dem dieser seine Ansichten, einfacher geschrieben unter dem Proletariat verbreitete. Zwei ganze Jahre sollte Luther auf den Ausgang des Prozesses warten, nach dem die Kurie ihn 1518 nach Rom lud. Aus gesundheitlichen Gründen wurde seine Anhörung auf deutsches Gebiet verlegt, wo er vom Sächsischen Kurfürsten Friedrich unterstützt wurde. Luther floh aus Augsburg, da seine Anhörung nicht die gewünschten Ergebnisse zeigte und er fürchten musste, entführt und zum Schweigen gebracht zu werden. Da Politische Ereignisse den Papst zu sehr beschäftigten, wurde Luthers Prozess auf unbestimmte Zeit verschoben und man sandte Karl von Miltitz, um mit Martin eine friedliche Einigung herbeizuführen. Doch schon bald brach Luther sein Schweigen und vollzog den endgültigen Bruch mit der katholischen Kirche, in dem er predigte es wäre wichtiger auf die Bibel, als auf Bischöfe zu hören.

Zufluchtsort für Martin Luther – die Wartburg.
1520 nahm die Kurie den Prozess gegen Luther wieder auf und der Papst erließ eine Bannandrohungsbulle. Der Streit gipfelte darin, dass Martin auf die Verbrennung seiner Schriften mit der Verbrennung der Bulle und des kanonischen Rechtes antworte. Daraufhin wurde er am 3. Januar 1521 exkommuniziert. Doch reagierte der Papst zu spät, über Jahrhunderte hatte sich die soziale Unzufriedenheit wie Unkraut auf dem Europäischen Kontinent ausgebreitet. Die Menschen waren mehr als bereit, für Veränderungen. Dieses Streben und der Päpstliche Bann machten die Schriften von Luther zum Erfolgshit. Daran konnte auch eine erneute Anhörung vor dem Reichstag zu Worms nichts ändern. Von nun an, war es bei Strafe verboten Luthers Schriften zu drucken oder zu verbreiten. Wer ihn sah, musste ihn ausliefern, da er nun ein rechtloser war. Martins Gönner der Kurfürst Friedrich ließ ihn daraufhin zu seinem eigenen Schutz entführen und auf der Wartburg unter dem Namen Junker Jörg festsetzen.
Hier übersetzte dieser Junker Jörg in nur 11 Wochen das Neue Testament ins Deutsche. Er orientierte sich nicht an den lateinischen, sondern an den ursprünglich hebräisch, griechischen texten und übersetzte die Heilige Schrift nicht Wort für Wort und in seinem eigenen Verständnis. Bis 1534 übersetzte Luther zusammen mit einem Kreis aus Reformatoren und Professoren das Alte Testament. Beide Teile zusammen, einschließlich der Apokryphen, bilden die berühmte Lutherbibel. Eine Volkstümliche, bildgewaltige und vor allem leicht verständliche Sprache, sorgte schnell dafür das rund ein Drittel aller lesekundigen Deutschen dieses Buch ihr eigen nannte. Jedoch wäre es nicht gerecht unerwähnt zu lassen, dass es bereits im Frühmittelalter neben den üblich lateinischen Übersetzungen auch eine Übersetzung des Matthäusevangeliums ins Althochdeutsche, sowie eine Übersetzung des Alten Testaments ins Arabische gab. Außerdem entstanden Übersetzungen auf Tschechisch und Ungarisch. Der posthum als Ketzer verurteilte Wyclif vollendete 1382 die erste maßgebliche Bibelübersetzung ins Englische. Insgesamt kennt man 72 Teilübersetzungen der Bibel ins Deutsche, bevor Luther auf die Wartburg kam.
Der Stadtrat von Wittenberg setzte 1522 die von Luther geforderten Gottesdienstreformen um und beschloss Maßnahmen gegen Unzucht und Armut. Viele Nonnen und Mönche mussten aufgrund der Ausschreitungen und der anhaltenden Gewalt ihre Klöster verlassen. 1524 gab Luther sein Leben als Mönch auf und Heirate 1525 die aus einem Kloster geflohene Nonne Katharina von Bora, mit der er 6 Kinder hatte. Dies widersprach sich nicht mit den Ansichten Luthers, da dieser die Abschaffung des Zölibates und die Auflösung aller Klöster forderte.
Asche zu Asche, Staub zu Staub
Ahnte Martin, dass seine Schriften in die Herzen und Köpfe der einfachen Menschen drangen und dort einen Samen hinterließen? Ein Samen der schnell keimte und wucherte? Diese einfachen Menschen, ausgebeutet durch die Kirche und ihre Fürsten, sahen in den Thesen Martin Luthers eine Berechtigung für ihren Zorn und waren begeisterte Anhänger der Reformation. Als sie sich plündernd und brandschatzend formierten, um in den Krieg gegen den Adel zu ziehen, der keinerlei Interesse daran zeigte den Bauern Menschenrechte zuzugestehen, zitierten sie immer wieder den großen Reformator. Doch so sehr sich die einfachen Menschen auch einen gebildeten Fürsprecher wünschten, Martin war keiner der Ihren.
Im Gegenteil, war sein Glaubenssatz doch: „Seid untertan der Obrigkeit.“ Dies zeigte sich spätestens, als eine aufgebrachte und hungernde Menge den Grafen von Helfenstein ermordete. Außer sich vor Zorn, veröffentlichte er, nachdem er sicher sein konnte, dass die Aufständischen unterlagen, die Schrift: Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern. „Man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich… wie einen tollen Hund.“ rief er voller Überzeugung. Der Adel gewann den Bauernkrieg, der bis zu 70.000 Opfer forderte. Die Anführer der Aufständischen wurden öffentlich hingerichtete und für die nächsten 300 Jahre unterwarfen sich die einfachen Leute erneut der Obrigkeit. Ungefähr 1000 Burgen und Klöster wurden in den Wirren dieses Krieges zerstört und niedergebrannt. Doch die Flammen das Protestantismus loderten bereits zu stark, um sie noch zu ersticken.
Fürsten in ganz Europa nahmen den neuen Glauben an, wohl aus Unzufriedenheit mit der Kirche, aber auch weil dies bedeutete, dass die Ländereien und Schätze der Klöster fortan ihnen gehörten. Der Papst, über Jahrhunderte Stellvertreter Gottes auf Erden, verlor immer mehr an Macht und Europa spaltete sich in zwei Lager, was nicht nur den Dreißigjährigen Krieg zur Folge hatte.
Martin Luther als Kultfigur

Martin Luther als Playmobil-Spielfigur.
Der Kult um die Person Luther nimmt nicht erst in letzter Zeit seltsame Züge an. Die Hochzeit Martins mit seiner Katharina wird in Wittenberg nachgespielt und gefeiert. Beide liebten sich, dass wird wohl niemand bestreiten wollen, doch ist es wirklich nötig, den Bruch zweier heiliger Gelübde zu zelebrieren? Brauchen wir Schokolade, Plätzchenausstecher, Quietscheentchen, Brettspiele und Nudeln zum Thema Martin Luther wirklich. Oder sind das die einzigen Dinge, die im 21. Jahrhundert noch dafür sorgen, dass der Reformator und seine Ideen nicht in Vergessenheit geraten? Die Idee geht jedenfalls auf – der Playmobil-Luther ist die meistverkaufte Einzelfigur in der Geschichte des deutschen Spielekonzerns Brandstätter und Anstecknadeln, Reformator-Mützen und Luther-Bier sind noch heute Kassenschlager.
Quellenangaben: wikipedia.de, youtube.de, ekd.de, planet-wissen.de